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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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ist… es ist nicht…«
    Fegan drückte dem Soldaten die Mündung der Pistole an den Hinterkopf. »Was ist also, Pater? Haben Sie den Mumm, das vorzuleben, was Sie predigen? Oder verschließen Sie lieber die Augen und schweigen, wie immer?«
    Der Brite unten am Boden reckte wimmernd die Hände hoch, doch das Gesicht des Priesters war erstarrt. Er sah noch einmal Fegan an, dann schlug er die Augen nieder, drehte sich um und ging weg.
    »Nein!« Der Soldat versuchte, ihm hinterherzukriechen. »Nein! Nein, nein, bitte! Hilfe!«
    Pater Coulter blieb nur noch einmal kurz stehen, als der ohrenbetäubende Knall durch die Straße hallte.
     
    Fegan hielt die Augen geschlossen, bis McGinty mit seiner Rede fertig war. Als er sie wieder aufmachte, stand sie da und sah ihn an.
    »Hallo«, sagte Marie McKenna.
    Fegan blinzelte verwirrt und wusste nichts zu antworten. Seine Verfolger verloren sich in der sich verlaufenden Menge.
    »Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte sie.
    »Nicht so schlimm.« Er suchte nach etwas, was er sonst noch sagen konnte, aber es fiel ihm nichts ein.
    »Kommen Sie noch mit in sein Haus?«, fragte sie.
    »Ja«, antwortete er, »aber nur kurz.«
    »Soll ich Sie mitnehmen?«
    »Nein danke, ich bin versorgt«, log er.
    »Ach so. Na gut, dann sehen wir uns da.« Marie lächelte und ließ ihn zwischen den Grabsteinen stehen.
    Fegan stand in der Maihitze und wartete, bis die Menge sich zerstreut hatte. Als er sich sicher sein konnte, dass Marie weg war, machte er sich auf den Weg zum Friedhofstor.
    In seinen jüngeren Jahren hatte Fegan viel Spaß an Frauen und an der Leichtigkeit gehabt, mit der er sie ins Bett bekommen hatte. Einige von den Jungs, McKenna zum Beispiel, hatten es verstanden, Frauen mit Worten zu umgarnen. Auf so erwas war Fegan nie angewiesen gewesen, sein Ruf hatte völlig ausgereicht. Er wusste, dass sie die Gefahr liebten, und nutzte das gerne aus. Seit seiner Entlassung aus dem Maze hatte es nur ein paar flüchtige Affären gegeben, hier und da eine Geschichte, um sich mal wieder flachlegen zu lassen, mehr nicht.
    Marie McKenna verwirrte ihn. Ganz eindeutig war sie keine, mit der man nur herumspielte, aber er wusste nicht, wie man sonst mit Frauen umgehen sollte.
    »Was ist bloß mit mir los?«, fragte er sich. Seine einsame Stimme zwischen den Grabsteinen kam ihm selbst sonderbar vor. Er schob seine Fragen beiseite und schlenderte mit hängendem Kopflos. Am Tor blieb er stehen. Mit laufendem Motor wartete dort ein langer silbergrauer Wagen.
    Die getönte hintere Scheibe fuhr herab, und Paul McGintys glattrasiertes, gepflegtes Gesicht lächelte ihn an.
    »Steigein«, sagte er.

Wenn das Nordirlandbüro und die Sicherheitskräfte tatsächlich einmal zusammenarbeiteten, konnten sie erstaunlich effizient sein. Zu dumm, dass sie es nicht öfter machen, dachte Campbell und warf seine Reisetasche aufs Bett. Sie hatten ihm eine Wohnung in Holylands besorgt, einem Viertel, das nicht etwa, um seine Einwohner zu preisen, so genannt wurde, sondern wegen der dortigen Straßennamen: Palestine Street, Jerusalem Street, Damascus Street und so weiter. Es war eine schlaue Idee gewesen, ihn hier unterzubringen. Die Gegend wurde fast ausschließlich von Studenten der Queens University bewohnt, einem ausgedehnten Komplex mit viktorianischen und modernen Gebäuden am Ende der Malone Road. Die Studenten kamen und gingen zu allen Tages- und Nachtstunden, waren laut und achteten nicht auf ihre Umgebung. Campbell konnte jederzeit herkommen und verschwinden, ohne groß Aufmerksamkeit zu erregen.
    Er trat zum Fenster seines kleinen Wohnzimmers. Er befand sich in der obersten Etage eines Hauses an der University Street, gegenüber einer Kirche gleich hinter der Botanic Avenue. Unten auf dem Gehweg trotteten hintereinander Studenten, Ladenbesucher und Arbeiter vorbei. Sein verrosteter Ford Focus stand auf der gegenüberliegenden Seite am Straßenrand. Er hatte ihn in einem Einkaufszentrum südlich der Stadt abgeholt. Im Handschuhfach lagen bereits ein zweites Mobiltelefon und eine Glock 23.
    Das Telefon hatte stets in der Wohnung zu bleiben und war nur für eine einzige Nummer bestimmt.
    Es hatte ihm fast das Herz gebrochen, seinen BMW gegen den Focus einzutauschen. Die Fahrt von Dundalk bis nach Armagh und dann weiter die Autobahn hinauf war seit einem Monat seine erste Gelegenheit gewesen, den Z4 zu fahren. Campbell musste sich selbst daran erinnern, dass das hier schließlich seine Arbeit war,

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