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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ältigt hatte; in jenem Mo m ent war sie von Zorn und einem tiefen, unwiderruflichen Verlu s t erfüllt gewesen, der nicht der ihre war. N un war es ihr schon öft e r geschehen, daß sie wußte, was die Menschen, die ihr nahestanden, dachten und e m pfanden, vor allem bei ihrer Cousine Margot und dem Kardinal. Aber noch nie m als hatte s i e so etwas bei je m andem außerhalb ih r er Fa m ilie gespürt, geschweige denn bei e i n em völlig Fre m den.
    Der W eg z wischen dem Louvre und d e m Pa l ais Cardinal war so kurz, daß sie ihn zu Fuß hätte z u rücklegen können, wenn sich das bei einem offiziellen Anlaß geschickt h ä tte. So blieb ihr wenig Zeit, um nachzuden k en. W ährend das Trittb r ett heru n ter g eklappt wu r de, stand im m er noch das Bild des Unbekannten vor ihr, die m erkwürdigen Haare, die so silbrig blond war e n, daß sie genausogut weiß hätten sein können, und die ausdruckslose n , blauen Augen, die wie Spiegel wirkten und nur das wiedergaben, was sie sahen, und nichts von seinem Inneren verrieten.
     

2. KAPITEL
     
    Raoul d’Irsd m asens saß m it Gédéon Talle m ant in der Garküche an der Ecke der Rue Saint Honoré und der Rue de l’Arbre Sec und verzehrte gerade m it d e m größten Vergnüg e n eine Pastete, als er seinen Bruder vor sich stehen s a h. Errötend sprang er auf.
    »Paul!«
    Insgeheim dachte er, daß Paul eine entschieden unhei m liche Art hatte, plötzlich aufzutauchen, aber er war zu froh über die Rückkehr seines Bru d ers, um diese leise K r itik nicht sofort zu unterdrücken.
    »Paul«, sagte er m it überschwengli c her Geste, » darf ich d ir m einen Freund vorstellen, Gédéon Talle m ant, wie ich ein brotloser Verehrer der Musen? Talle m ant, hier siehst du den Mann vor dir, von dem wir zwölf Jahre lang glaubten, er existiere nur in Briefen.«
    »Brotlos w ohl kau m «, be m erkte Paul d’Irsd m asens trocken und setzte sich zu ihnen.
    »Der W irt hier hat ein weiches Herz für Poeten«, warf Talle m ant ein.
    Paul d’Irsd m asens blickte ihn an. »Talle m ant? Von den B ankiers Talle m ant a us La Rochell e ?«
    »Ja«, erwiderte der Angesprochene. »Kennt Ihr…« Er verstum m te jäh. Paul d’Irsd m asens musterte i h n noch einen Mo m ent länger, dann wandte er sich an seinen jüngeren Bruder.
    »Raoul«, sagte er abrupt, »was weißt du über die Herzogin von Aiguillo n ?«
    Raoul grinste. »Da bist du an der ric h tigen Stelle. Der Kardin a l und seine Fa m ilie sind Talle m ants Spezialität.«
    Sein Freund ließ sich nicht zwei m al bitten. Seit Raoul ihm von diesem plötzlich wieder au f getauc h t e n älteren Bruder, der das schwarze Schaf der F a m ilie s e in mußte, er zä hlt h atte, w a r er neu g ie ri g auf ihn gewesen. Jetzt nutzte er die Gel e genheit und verglich die beiden Männer, während er sprach. Beide hatten blaue Augen, aber während sie bei Raoul offen und vertrauen s voll dreinschauten, luden sie bei dem unbekannten Paul höchstens dazu ein, rasch wieder wegzublicken. Raoul war in seinem Alter, zweiundzwanzig Jahre; bei Paul d’Irsd m asens ließ sich d as schwer s chätzen. Alles zwisc h en drei ß i g und vierzig mochte zutreffen.
    »Unser erlauchter Erster Minister«, sagte T alle m ant unterdessen,
    »hat zwar genügend bezahlte Lobredner, die behaupten, seine Fa m ilie v ä te r lic h erseits lasse sich f ast bi s auf die Kapetin g er z u rück f ühren, ab e r j e der weiß, d aß sei n e F a m ilie m ütterlich e rs e its e s nur b i s zum Advokatenstand gebracht hat. Ach ja, und sein Großvater hat außerdem noch seine Gegend im Parla m ent repräsentiert. Was seine derz e iti g en Verwandten angeht, d e r ält e ste Br u der i s t im Duell u m gekommen, der Zweitälteste war lange Kartäuser, bis…«
    »Talle m ant«, unterbrach Raoul i hn, »die Herzogin von Aiguillon.«
    »Richtig. N un, sie ist die Tochter der ältesten S chwester Richelieus. Als er noch nicht K ardinal war und dringend Verbündete brauchte, verheiratete er sie m i t einem Neffen von Luynes, der da m als der Günstling d es Königs war. Das w ar d e r be da uernswerte Sieur d e Co m balet, der nach einem knappen Jahr Ehe s t arb, zweifell o s an der nun m ehrigen Verwandtschaft m it unserem Durchla u chti gs t en. Mada m e de Combalet ist seither W itwe, und zu meiner Schande m uß ich gestehen, daß m eine Lieblingsver m utung, E m inentissi m e habe vor, sie m it dem Bruder des Königs zu verheiraten, doch nicht zuzutreffen scheint.

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