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Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Fahndungsliste. Der ist sich selbst der Nächste. Und bei seinen Kumpanen wird es bestimmt nicht viel anders aussehen. Kennst du ihre Familiennamen?»
    «Natürlich nicht», antwortete David resigniert.
    «Und dieser Willi, dein Kommilitone?»
    «Heißt Schmidlein», flüsterte David. «Eine Adressehabe ich nicht, aber er hat eine Empfehlung, mit der er sich dieser Tage bei Blohm + Voss vorstellen will. Ich habe seinen Namen aber beim Verhör nicht verraten.»
    Sören notierte den Namen und zeigte David den Zettel, um sich zu vergewissern, dass er ihn richtig geschrieben hatte. «Dann können wir nur hoffen, dass er freiwillig bei der Polizei auftaucht und eine Aussage macht oder dass ich ihn ausfindig mache.»
     
    «Nach allem, was wir bislang wissen, sieht es eher nach einer gewöhnlichen Auseinandersetzung aus, wie wir sie fast täglich auf dem Kiez erleben. Allerdings nicht mit Todesfolge.» Dr.   Göhle rückte seinen Binder zurecht und strich sich langsam durch den mächtigen Bart, der bereits stark von grauen und weißen Haaren durchwachsen war. Solange Sören ihn kannte, war Göhle bei der Zweiten Strafkammer des Landgerichts. Und er würde es bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn wohl auch bleiben, denn die sechzig hatte er bereits hinter sich gelassen. Warum ihm der Stand eines Oberstaatsanwalts verwährt geblieben war, darüber konnte Sören nur spekulieren. Oft hatten sie sich im Gerichtssaal gegenübergestanden, aber trotz der teils heftigen Wortgefechte, die sie sich dort geleistet hatten, war Dr.   Göhle ihm stets korrekt und jovial gesinnt begegnet. Anders als sein Kollege Dr.   Steinicke von der Ersten Strafkammer, der während eines laufenden Verfahrens nie ein überflüssiges Wort mit Sören sprach. Er wusste nicht, ob ihm das in diesem Fall einen Vorteil verschaffte, denn so integer Göhle auch sein mochte, er wusste genau zwischen Freundlichkeit und Vorschriften zu unterscheiden.
    «Sie erinnern sich an die wüste Messerstecherei in der Großen Freiheit vor zwei Monaten, als Jugendlicheund junge Männer unterschiedlicher Nationalitäten des Nachts aneinander gerieten und ihre Messer zogen?»
    «Natürlich.» Sören nickte. «Aber mit Verlaub, die gestrigen Geschehnisse scheinen wohl einen anderen Hintergrund zu haben.»
    «Sind Sie sich dessen so sicher?», fragte Dr.   Göhle. «Das Opfer ist ein Jude.»
    «Womöglich ein Zuhälter», warf Sören ein, aber Göhle schüttelte den Kopf.
    «Dafür gibt es bislang keinerlei Anhaltspunkte.»
    «Die Frau, die er mit Gewalt mit sich zog   …»
    Ein wissendes Lächeln zeichnete sich auf Göhles Gesicht ab, aber er blickte zu Boden und schüttelte verneinend den Kopf. «Ich habe die Aussage Ihres   … Ihres   …»
    «Sohnes», bekräftigte Sören.
    «Gut, also Ihres Sohnes. Ich habe sie natürlich gelesen. Allerdings   …» Er blickte Sören in die Augen. «Ich will Ihnen da keine falschen Hoffnungen machen. Sie sind lange genug dabei, um den Wert solcher Aussagen zu kennen. Wir haben die Aussage eines Zeugen, der zweifelsohne glaubwürdig erscheint, und da ist von einer Frau keine Rede. Die Leute hingegen, in deren Gesellschaft sich Ihr   … Ihr Sohn befand, sind der Polizei bekannt.»
    «Aber doch wohl nicht in Zusammenhang mit Mord und Totschlag.»
    «Richtig. Bislang nicht. Und glauben Sie mir, die Fahndung nach den Burschen läuft. Die Vigilanten der Kriminalpolizei halten die Augen auf. Der rote Peter ist schließlich kein Unbekannter. Auch wenn er und seine Kameraden untergetaucht sind, es wird nicht lange dauern   …»
    «Und wenn sie die Aussage meines Sohnes bestätigen?»
    «Dann heißt das noch lange nichts», entgegnete Dr.   Göhle. «Soweit wir wissen, handelt es sich ausnahmslos um Sozialdemokraten. Und die halten zusammen.» Bevor Sören etwas erwidern konnte, fügte er hinzu: «Natürlich prüfen wir alle Aussagen sehr akribisch und bewerten sie unabhängig davon, welche politische Gesinnung die Zeugen haben. Es ist nur eine gewisse Erfahrung, die mich bestimmte Dinge vermuten lässt. Und meistens liege ich mit meinem Instinkt nicht völlig falsch, wie Sie wissen sollten.»
    «Meistens», wiederholte Sören. «Aber das heißt nicht immer. – Sie sagten, das Opfer sei Jude?»
    Es war besser, an dieser Stelle das Thema zu wechseln. Er brauchte dringend einige Informationen, die ihm eigentlich noch nicht zustanden. Vor allem – das musste er sich eingestehen   –, weil ein Fünkchen Zweifel in ihm glimmte. Zweifel

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