Die Schattenfrau
und von Helene und ihrer Tochter gemacht.
Auf einigen Fotografien waren sie nämlich zusammen zu sehen. Helene hatte ihr Kind allein zur Welt gebracht. Hatte der unbekannte Vater die Fotos geschossen? Es gab nur ein Babyfoto von Jennie. Es gab sieben oder acht von ihr, die wohl erst vor relativ kurzer Zeit aufgenommen worden waren, abgesehen von den Studiobildern. Zwei davon trugen ein Datum, vielleicht half das ihnen weiter.
Es gab keine Fotografie von Helene als Kind.
Winter sah sich um. Zehn Personen warteten mit ihm auf die Straßenbahnen. Jetzt kam die 2, und er folgte einer Eingebung und stieg zusammen mit vier Männern ein, die Äthiopier sein konnten, und einem Betrunkenen, der eindeutig Schwede war, denn er schimpfte und rief den schwarzen Männern rassistische Parolen zu, als alle eingestiegen waren und der Wagen Richtung Hauptbahnhof weiterfuhr. Winter stand auf und ging durch den fast leeren Waggon zu dem Betrunkenen, einem Mann Mitte dreißig, und Winter wünschte plötzlich, er wäre genügend aus dem Gleichgewicht, um dem Betrunkenen die Faust in die Magengrube zu rammen. Aber der Mann ist bestimmt nur unglücklich, dachte er, deshalb schreit er diesen Mist. Das muss man verstehen. Aber ich halte es nicht aus zuzuhören. Es ist ja nicht das erste Mal. Ich habe Probleme mit Rassisten, auch wenn sie betrunken sind und unglücklich.
Die Bahn hielt am Drottningtorget, und der Betrunkene stand auf und torkelte hinaus, ohne Winter einmal angesehen zu haben. Die Schwarzen kommentierten seinen Abgang in ihrer Sprache. Plötzlich stiegen zwei von ihnen aus und folgten dem Betrunkenen, der auf das Bahnhofsgebäude zutaumelte. Er wird doch seine Prügel bekommen, ging Winter auf. Und vielleicht sind die beiden Schwarzen wirklich Kriminelle. Man ist nicht zwangsläufig nett, nur weil man schwarz ist.
Sie fuhren über die Brücke. Die Kräne unten im Freihafen schwenkten vor und zurück, griffen nach Containern, die mit Obst gefüllt waren. Die Sonne brannte hinunter auf die Bananen, als wären die wieder zu Hause. Am Vägmästarenplatsen stiegen mehr Fahrgäste ein als aus, Iraner, Inder und Schwarze, die immer in Gruppen unterwegs zu sein schienen. Winter überlegte, ob er jemals einen Schwarzen, einen Dunkelhäutigen oder einen Araber gesehen hatte, der irgendwo für sich allein entlanggegangen war.
Die Felder hinter Rambergsvallen waren voller Kinder, die Fußball spielten oder ihren eigenen Schatten nachliefen. Über dem Eingang zum Lundbybad flatterten Fahnen im Wind, darunter die dänische. Das darf ich nicht vergessen, wurde es Winter bewusst: Es muss einen Grund geben, dass sie beide die dänische Flagge gemalt haben. Haben sie die hier gesehen, wie ich jetzt gerade. Verdammt, wir müssen diesen Signaturen auf den Grund gehen und uns die Unterschiede auf den Bildern mal genauer ansehen. Wenn es welche gibt.
Die Nationalflagge Dänemarks hätten sie über dem Eingang zum Lundbybad bemerken können. Sind sie regelmäßig dorthin gegangen?, fragte Winter sich. Vielleicht ist das Mädchen dort zum Schwimmunterricht angemeldet gewesen? Haben wir das kontrolliert? Dazu habe ich nichts in den Berichten gelesen.
Vielleicht hat Helene dort jemanden getroffen. Oder in Dänemark. Sie kann auf einer der Fähren gesessen und darauf gewartet haben, an Land zu kommen. Es kann etwas in Dänemark passiert sein, das mit dem Fall hier zusammenhängt. Wir haben Kontakt zu Interpol aufgenommen, aber man weiß ja, wie das geht, dachte Winter. Ob in Dänemark etwas passiert war? Oder gab es dort einen ähnlichen Fall? Hatte sie Angehörige in Dänemark, die sie besucht hat? Vielleicht hat Jennie dort gemalt und gemalt... oder vielleicht auch Helene.
Winter stieg am Friskväderstorget aus. Die Sonne füllte die Satellitenschüsseln an den Hauswänden mit Licht. Sie standen ab wie Ohren, die gereckt sind, um Botschaften aus der Heimat einzufangen. Von irgendwoher hörte Winter Musik, die klang, als käme sie von einem John Coltrane mit Wasserpfeife und Fez. Türkischer Jazz, dachte er. Swingt auch.
Ernst Lundgren von der Tagesstätte war mit den Kindern auf dem Spielplatz vor dem Haus. Der alte große Mann bückte sich auf eine Art und Weise, die seinen Rücken entweder stärkte oder bald in Teile brechen würde.
»Was Neues?«, fragte er, und Winter berichtete.
»Ja, ich habe nach wie vor nichts gehört«, erklärte Lundgren. »Sie hat nicht zu unserer kleinen Gemeinde gehört.«
»Gibt es unter den anderen Eltern
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