Die Schattenfrau
diese diagonalen Striche.
Eine Windmühle, überlegte er. Es könnte eine kleine Windmühle sein, die sie abgemalt hat.
Unter beiden Zeichnungen stand »jeni«.
»Ich hab einen Picknickkorb mitgebracht.« Angela hielt ihn hoch, damit er ihn sehen konnte.
»Ist heute Freitag?«, fragte Winter.
»Freitagabend, Punkt zwanzig Uhr.«
»Da kann ich dich doch nicht draußen in Hausflur stehen lassen.«
»Du könntest doch rauskommen.«
»Und das Trompetensolo verpassen? Da, jetzt setzt es ein.« »Hört sich toll an.«
»Aber komm doch rein, und hör es dir drinnen an, bevor es vorbei ist.«
»Du bist nicht überrascht oder so?«
»Es war nur, dass ich... «
»Gesessen und gearbeitet habe? Oder gegrübelt? Vergessen, dass ich kommen wollte?«
»Das alles und nichts«, gestand Winter.
»Und das bedeutet?«
Er gab ihr keine Antwort, sondern nahm ihr den Korb ab. Er stellte ihn auf den Boden und half ihr aus dem Mantel, der schwer war und gut nach ihr und herb nach Stadtluft duftete.
»Hier bin ich lange nicht gewesen«, sagte sie, als sie im Wohnzimmer standen. »Ich auch nicht.« »Das habe ich gemerkt.«
»Dann darf ich bitten?«, forderte Winter sie auf, packte sie und walzte mit ihr über das Parkett, auf dem das Licht der Stehlampe am Fenster glänzende Reflexe erzeugte.
»Was ist das?«, fragte sie und lehnte sich ein wenig zurück, um ihn anzusehen. »Donald Byrd.«
»Ich meine den Tanz. Du hast mich wirklich überrascht.« »Das Leben ist voller Überraschungen.« »Was ist los mit dir? Hast du was getrunken?«
»Sei jetzt still, und lass dich führen«, erwiderte Winter. Er schwenkte sie in eine Rechtsdrehung, als Trane nach Byrds Solo einsetzte, und dann wieder Byrd. Winter drückte Angela fester an sich und tanzte rechtsherum weiter.
»Und wenn ich nicht mehr tanzen will?«, erkundigte sie sich vorsichtig.
»Shut up«, gab er mit geschlossenen Augen zurück.
Sie tanzten. Angela konnte sich nicht erinnern, wann sie das zuletzt getan hatte. Es war kein Fehler. Es war eine gute Art, einen Freitagabend einzuleiten. Tanz und der Wein, den sie mitgebracht hatte, und die Krabben und Weiß...
»Du weißt, du bist freiwillig hier...«, murmelte er ihr ins Ohr.
»Shut up«, antwortete sie.
Sie tanzten weiter, bis die Musik fürs Erste vorbei war, dann gingen sie in die Küche, und Angela packte das Essen aus. Winter übernahm es, Dry Martini in einem Shaker zu bereiten.
»Wann hast du zum letzten Mal Dry Martini getrunken?«, fragte sie.
»Vor fünf Jahren? Gerührt oder geschüttelt?« »Geschüttelt natürlich.«
»Okay. Aber vielleicht wird es Sowohlalsauch.«
Sie sah ihn an. Sein Gesicht wirkte müde, ausgelaugt, bleicher als beim letzten Mal. Das Hemd stand ihm am Hals offen. Winter blickte auf und lächelte.
»Feierst du etwas, Erik?«
Er hörte auf, in dem pastellfarbenen Zylinder zu rühren, und stellte ihn auf die Arbeitsplatte. »Es ist wohl eher umgekehrt.« »Was meinst du damit?«
»Ich hab gespürt, dass ich... etwas anderes brauchte.«
»Etwas anderes als diesen widerwärtigen Fall, an dem du arbeitest?«
»Tja... Ja, etwas, das ein wenig Licht in mein Leben bringt und schimmert... Wie der hier«, sagte Winter und deutete auf den Shaker.
»Dann schenk ein«, schlug sie vor. »Hier sind die Gläser.«
Er folgte ihrem Vorschlag, und sie tranken.
»Das schmeckt wunderbar«, sagte sie. »Kühl und trocken zugleich.«
»Ist es nicht zu viel Wermut?«
»Doch, aber das ist okay.«
»Du bist ein Snob.«
»Und wie findest du den Drink?«
»Er könnte einen Deut trockener sein.«
»Dann wäre es... was anderes.«
»Ja.«
»Sollen wir den Tisch decken und uns hinsetzen und über die vergangene Woche sprechen?« »Wir nehmen deine«, antwortete Winter. »Du bist doch hier der, der reden muss«, erwiderte sie.
41
Es war wieder Sommer, als er aus der Haustür trat. Altweibersommer. Oder hieß es Indianersommer? Er hatte nie den Unterschied gelernt, falls es außer dem Namen einen gab.
Es war noch vor acht, und Reste der nächtlichen Dunkelheit schienen sich in den Schatten der Häuser zu halten. Ein Wagen der Stadtreinigung kroch die Straße auf der anderen Seite des Vasaplatsen entlang und schien den letzten Rest der Morgendämmerung mit den rotierenden Bürsten zu vertreiben. Eine ganze Menge Leute warteten auf die Straßenbahn. Es war wie immer. Ein Kastenwagen lieferte frisches Brot an den Wasa Källare. Winter schnupperte. Er war hungrig, hatte nur eine Tasse Kaffee
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