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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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geworden. Er liegt da drüben.»
    Ich ging zum Schreibtisch hinüber. In einer abgewetzten kleinen Kladde fand ich Megans unvollendeten Brief.
     
    « Mein lieber Jerry » ,
     
    begann er züchtig:
    « Ich habe in meinem Englischbuch gelesen und das Shakespeare-Sonett gefunden, das so anfängt:
    ‹ So bist du meinem Sinn, wie Brot dem Leibe,
    Wie süß gewürzter Regen ist fürs Feld ›
    und ich habe gemerkt, dass ich wahrscheinlich doch in dich ve r liebt bin, denn genau so empfinde ich auch… »

Vierzehntes Kapitel
     
    « D a sehen Sie», sagte Mrs Dane Calthrop, «es war doch richtig von mir, Expertenrat einzuholen.»
    Ich starrte sie an. Wir waren im Pfarrhaus versammelt. Draußen goss es in Strömen, im Kamin brannte ein schönes Holzfeuer, und Mrs Dane Calthrop war soeben aufgestanden, hatte ein Sofakissen zurechtgeklopft und es aus unerfindlichen Gründen auf den Flügel platziert.
    «Aber haben Sie das denn?», fragte ich erstaunt. «Wer war Ihr Experte? Was hat er gemacht?»
    «Es war kein Er», sagte Mrs Dane Calthrop.
    Und mit großer Geste wies sie auf Miss Marple. Miss Marple hatte ihr flauschiges Etwas fertig gestrickt und war nun mit einer Häkelnadel und einem Knäuel Baumwollgarn zugange.
    «Das ist meine Expertin», sagte Mrs Dane Calthrop. «Jane Marple. Schauen Sie sie gut an. Glauben Sie mir, diese Frau weiß mehr über die Spielarten menschlicher Niedertracht als irgendjemand sonst auf der Welt.»
    «Ich weiß nicht, ob man das so ausdrücken sollte, meine Liebe», murmelte Miss Marple.
    «Aber es stimmt.»
    «Man lernt einiges über die menschliche Natur, wenn man jahraus, jahrein auf dem Dorf lebt», sagte Miss Marple milde.
    Doch dann hatte sie offenbar das Gefühl, es würde mehr von ihr erwartet, denn sie legte ihre Häkelarbeit beiseite und hielt uns einen sanften, altjüngferlichen Vortrag zum Thema Mord.
    «Das A und O in einem solchen Fall ist es, für alle Möglichkeiten offen zu bleiben. Denn wissen Sie, die meisten Verbrechen sind so absurd einfach. Genauso dies hier. Völlig vernünftig und geradlinig – und völlig verständlich – auf ungute Weise natürlich.»
    «Äußerst ungut!»
    «Die Wahrheit war im Grunde so offensichtlich. Und Sie haben sie ja auch gesehen, Mr Burton.»
    «Ganz und gar nicht.»
    «O doch. Sie haben mir die Lösung gezeigt. Sie haben die Zusammenhänge zwischen den Dingen ganz richtig erkannt, aber Sie hatten nicht genug Selbstvertrauen, Ihre Gefühle richtig zu deuten. Beginnen wir mit diesem ärgerlichen Spruch, ‹Wo Rauch ist, ist auch Feuer›. Sie konnten ihn nicht mehr hören, aber Sie haben ihn ganz korrekt als das betitelt, was er war – einen Rauchschutzschleier. Irreleitung, verstehen Sie. Alle konzentrierten sich auf das Falsche – die anonymen Briefe, während der springende Punkt doch war, dass es überhaupt keine anonymen Briefe gab!»
    «Aber meine liebe Miss Marple, ich kann Ihnen versichern, dass es sie gab. Ich habe selber einen bekommen.»
    «O ja, aber es waren keine echten anonymen Briefe. Das war es, was unsere gute Maud so frappiert hat. Selbst im friedlichen Lymstock gibt es haufenweise Skandale, und Sie dürfen mir glauben, eine Frau, die hier wohnt, hätte sie gekannt und verwendet. Aber ein Mann hat kein solches Interesse an Klatschgeschichten – schon gar nicht ein nüchterner, logisch denkender Mann wie Mr Symmington. Hätte wirklich eine Frau diese Briefe geschrieben, dann hätten sie Hand und Fuß gehabt.
    Sie sehen also, sobald Sie Ihre Aufmerksamkeit statt dem Rauch dem Feuer zuwenden, wissen Sie, woran Sie sind. Sie können sich auf die tatsächlichen Geschehnisse konzentrieren. Und abgesehen von den Briefen ist nur eines geschehen – Mrs Symmington ist gestorben.
    Dann beginnt man sich natürlich zu fragen, wer ein Interesse an Mrs Symmingtons Tod gehabt haben könnte, und der erste Mensch, an den man in solchen Fällen denkt, ist leider Gottes der Ehemann. Und man fragt sich, ob es einen Grund gibt – ein Motiv? Zum Beispiel, eine andere Frau?
    Und was ist das Erste, was ich höre? In dem Haus gibt es ein außerordentlich gut aussehendes junges Kindermädchen. So nahe liegend, nicht? Mr Symmington, ein verknöcherter, gehemmter, leidenschaftsloser Mann, der an eine nörglige und neurotische Frau gefesselt ist, und plötzlich taucht dieses strahlende junge Geschöpf auf.
    Nun ist es ja leider so, dass es Herren eines gewissen Alters, wenn sie sich verlieben, besonders heftig erwischt. Es grenzt an

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