Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
Mission hatte noch einen anderen Hintergrund. Dohor wusste es.
»Hast du mir noch etwas zu sagen, mein Sohn?« »Nein, gar nicht. Wie immer freue ich mich, Vater, Euren Befehlen Folge leisten zu dürfen.« Er senkte wieder den Blick.
»Dir ist doch klar, warum ich gerade dich damit beauftrage?«
Langsam sah der junge Königssohn auf. Dohors Gestalt auf dem Thron schien übermächtig. »Ich glaube ja.«
»Es war würdelos, dass du Ido damals im Land des Feuers hast entkommen lassen, ein Schandfleck, den ein künftiger König unbedingt tilgen muss. Deshalb erwarte ich von dir, dass du meinem ärgsten Feind nun die Behandlung angedei-hen lässt, die er verdient hat. Ich verlange, dass du mir sein Haupt auf einem Silberteller servierst. Nichts weniger als das. Hast du verstanden?«
Learco verneigte sich zustimmend. Die Befehle seines Vaters galten unwidersprochen, auch wenn er in den meisten Fällen dessen Ansicht nicht teilte.
»Weiß man, wo er sich aufhält?«, fragte er.
»Es hat einen Kampf gegeben im Großen Land an der Grenze zum Land des Feuers. Dort hat er einen Assassinen außer Gefecht gesetzt und ihm den Jungen entreißen können. Aber auch er selbst scheint verletzt zu sein. Wahrscheinlich versucht er nun, auf kürzestem Weg ins Land des Wassers zu gelangen. Am besten stellst du ihn irgendwo in der Wüste. Dort findet er keine Deckung und kann sich nirgendwo verkriechen.« »Wie Ihr wünscht«, antwortete Learco in sachlichem Ton. »Du nimmst Xaron.«
Learco nickte. Wenigstens durfte er fliegen. »Wenn das alles ist ...«
»Enttäusche mich nicht wieder!« Der Blick des Königs war nun durchdringend und streng. »Unzählige Anlässe hast du mir bereits gegeben, in dir nicht meinen Sohn zu erkennen. Aber leider bist du mein einziger Erbe. Zwinge mich nicht zu Maßnahmen, die mir selbst missfallen würden.«
Learco verneigte sich fast bis zum Boden, während ihm das Herz in der Brust hämmerte. Dann richtete er sich auf und ging hinaus.
Er war verwirrt, die Worte des Vaters waren eine Warnung, und als er den Saal verlassen hatte, schlug er nicht den Weg zu den Drachenstallungen ein, sondern lenkte seine Schritte immer schneller zu dem langen Balkon des Palastes. Von hier hatte er einen weiten Blick über das Gassengewirr von Makrat. Die Sonne ging gerade unter, und Learco atmete die jetzt kühler werdende Luft in vollen Zügen ein. Das tat ihm gut. Der herbe Schwefelgeruch und die giftigen Dämpfe des Thals kamen ihm in den Sinn. Denn dort im Land des Feuers hatte er Ido zum ersten Mal getroffen.
Im Sattel seines Drachen überfliegt Learco das Schlachtfeld auf der Suche nach Überlebenden. Er weiß genau, dass er damit dem Befehl seines Onkels Forra zuwiderhandelt. Er ist erschöpft, aber die Erregung des Kampfes durchströmt immer noch seine Adern. Wie befohlen, hat er Feinde eingeäschert mit seinem Drachen, Rebellen mit seiner Lanze durchbohrt, ganz allein, beachtlich für einen vierzehnjährigen Knaben, auch wenn er schon Drachenritter ist.
Ein wenig hat er sich wie Nihal gefühlt, wie ein großer Krieger, ein todbringender Soldat, auf den sein Vater stolz sein kann. Kein Gnom, kein Erwachsener oder Kind, die ihm entgegentraten, hat Gnade gefunden.
Im Grund seines Herzens weiß Learco jedoch, dass dieser Überfall nichts mit Tapferkeit und einer offenen Schlacht zu tun hat. Und da nun weder sein Onkel oder sonst irgendwer an seiner Seite ist, der ihn zurechtweisen könnte, kann er endlich seinem Mitgefühl freien Lauf lassen. Niemand würde ihn auslachen. Niemand würde mitbekommen, wie skeptisch er dem Krieg und seinem Vater gegenübersteht. Learco fühlt sich wie ein Gefangener und hat doch keine andere Wahl. Der König hat ihn ins Feuer geworfen, damit sich sein Sohn zu einem tapferen Krieger und würdigen Thronfolger entwickelt. Welches Schlachtfeld hätte für eine solche Prüfung auch geeigneter sein können als das Land des Feuers, wo sich immer noch so verbissen der Widerstand regte? Learco wäre am liebsten geflohen, doch es ging nicht. Ein Teil seiner selbst nötigte ihn zu bleiben und dennoch würde ihn nichts von seinen Überzeugungen abbringen können. Lautlos schwingen die Flügel seines Drachen durch die Luft. Unter ihm nichts als Trümmer und Leichen. Er schaut genauer hin, und nur durch einen Zufall erkennt er aus den Augenwinkeln, dass hinter ihm etwas aufblitzt. Mit knapper Not schafft er es, sein Schwert zu ziehen, herumzufahren und den Schlag zu parieren. Ein Gnom ohne
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