Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
geglaubt, Ido noch einmal wiederzusehen. Als er aber erfuhr, dass der Gnom wahrscheinlich tot sei, hatte es ihm aus irgendeinem Grund leidgetan.
Nun begab er sich zu den Stallungen und fragte sich dabei, was sein Vater wohl mit diesem Knaben vorhatte, welche gemeinen Pläne sich hinter diesem Auftrag verbargen, doch er wusste auch, dass diese Fragen zu nichts führten, dass sie nur seine Seele belasteten. Letztendlich war er, trotz allem, was er über Dohor wusste, doch nur ein dummer Junge, der seinem Vater gefallen wollte. Er dachte an Ido, an die Schuld, in der er ihm gegenüber stand. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn ihn der Gnom an jenem Tag getötet hätte, dort am Fuß des Thals, aber stattdessen verdankte er ihm sein Leben. Und nun hatte er den Befehl, ihn umzubringen.
Den Blick gesenkt, betrat er den Stall, schloss einen Moment die Augen und konzentrierte sich auf das, was ihn jetzt erwartete.
»Mach Xaron fertig, ich habe eine Mission zu erfüllen«, wies er den Stallknecht an.
Das Dorf
Wie im Traum verlief der Aufenthalt bei den Huye. Niedergeworfen von einer unsagbaren Erschöpfung, verbrachte Dubhe die meiste Zeit im Bett. Sie war zu schwach, um aufzustehen, und die Wunden schmerzten wie wahnsinnig, doch vor allem war es die geistige Erschöpfung, die sie davon abhielt, irgendetwas zu unternehmen.
Sie hatte den Eindruck, dass außerhalb dieses Dorfes jenseits des Waldes, auf den ihr Blick durch das Fenster fiel, die Probleme, die sie hierhergeführt hatten, nur darauf warteten, dass sie sich erholte, um wieder über sie herzufallen. Verließ sie erst einmal diesen geschützten Raum, würde nichts besser als vorher sein. Vor allem bedrängte sie die Ungewissheit hinsichtlich des Gegengiftes: Um sie dem Tod zu entreißen, hatte Lonerin ihr den gesamten Inhalt der Ampulle verabreicht. Kein Tröpfchen war mehr übrig. Dubhe spürte, dass die Bestie nur ein wenig döste. Sie freizulassen, war ein kühnes Unterfangen gewesen, das sie früher oder später noch teuer zu stehen kommen würde. Nun hatte sie nur noch eine einzige schwache Hoffnung: zu Sennar zu gelangen, bevor sie der Bestie machtlos ausgeliefert war. Ach Sennar ... Wer sagte ihnen eigentlich, dass er überhaupt noch lebte und dass es ihnen gelingen würde, ihn zu finden? Und in diesem Meer von Schwierigkeiten blieb noch die Frage, wie sie sich jetzt Lonerin gegenüber verhalten sollte. Bei all diesen Sorgen, die Dubhe bedrängten, war es ein Glück, dass er in diesen Tagen so beschäftigt war. »Ich muss mich mit den Heilkünsten dieses Volkes befassen, vielleicht finde ich unter den Kräutern, die hier verwendet werden, irgendeines, das etwas gegen den Fluch ausrichten kann«, hatte er zu ihr gesagt.
Seitdem war er fast ständig irgendwo unterwegs und kehrte erst abends zu ihr zurück, mit Rändern unter den Augen und häufig verkratzten Händen. Ein kurzer Kuss auf die Wange, dann erkundigte er sich nach ihrer Verfassung, untersuchte sorgfältig all ihre Wunden.
Ihre Beziehung schien sich mittlerweile nur noch um die Gesundheit zu drehen. Lonerin war wie besessen davon, und Dubhe hatte noch nicht den Mut gefunden, einige Dinge klarzustellen. Aber sie wusste, dass sie diesem Gespräch nicht aus dem Weg gehen konnte. Nur fühlte sie sich im Moment noch nicht dazu bereit.
So verbrachte sie die Tage, indem sie aus dem Fenster zum Himmel hinausblickte, der stündlich in andere Farben getaucht war, und auf die Geräusche des Waldes lauschte. Vielleicht würde sie sterben, vielleicht würde die Bestie wiederkehren. Aber von diesem Bett aus schien ihr das alles weit entfernt und verschwommen zu sein.
Tagelang hatte sie nur über den Heilpriester Kontakt zum Volk der Huye, der sie behandelte, ein junger Mann, in dessen Äußerem sich die Merkmale der Elfen und die der Gnomen auf groteske Weise vermengten: Seine spitzen Ohren standen von einem geschorenen Schädel ab, während der lange dunkelblaue Bart seine Haarfarbe erahnen ließ. Mit nacktem Oberkörper lief er umher und trug auf der Brust eine rote Tätowierung, die sich krass von seiner blassen Haut abhob. Sie zeigte einen mächtigen Baum, einen Vater des Waldes, der mit großer Liebe zum Detail gestochen war. Seine Beinkleider darunter waren eigenartig geschnitten und offenbar aus Wildleder gefertigt. Stets grußlos betrat er ihr Zimmer und richtete auch nie das Wort an sie. Noch nicht einmal in die Augen schaute er ihr, kümmerte sich nur um die Wunden, streng darauf bedacht,
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