Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
langen Krieg und die letzte Schlacht, die eben dort in den Kanälen geschlagen wurde. Gut tausend Mann hatte er dort unten verloren und all das, um einer Handvoll Rebellen habhaft zu werden. »Die Kanäle«, murmelte er.
»Das denken wir auch. Sie scheinen doch nicht ganz geflutet zu sein.« Das wusste Dohor nicht. Als er befahl, die Schleusen zu öffnen, hatte er sich ganz einfach auf die Gewalt des Wassers verlassen. Aber die hatte wohl nicht ausgereicht.
»Ich werde mich um die Angelegenheit kümmern«, erklärte er in eiligem Ton. »Daran hatte ich keinen Zweifel«, lächelte Yeshol. »Als Sherva mir berichtete, mit wem er es zu tun hatte, wusste ich sofort, dass Ihr das Problem mit Euren Männern lösen würdet.«
Dohor nickte. »Der ist schon so gut wie tot. In Kürze werdet ihr den Jungen wiederhaben.«
Yeshol verbeugte sich. »Ich verlasse mich auf Euch. Mein Schicksal liegt in Eurer Hand.«
Als Learco den Saal betrat, fand er seinen Vater Dohor schon wartend auf seinem Thorn vor. Kaum zurückgekehrt, hatte dieser ihn rufen lassen. Learco wusste nicht, was vorlag, aber mit Sicherheit handelte es sich um eine ernste Angelegenheit, denn er hatte seinen Vater in dem schwarzen Umhang heimkehren sehen, den er nur bei bedeutenden Anlässen trug. Als er dann hörte, dass der König ihn zu sich bestellt hatte, verweilte er noch einen Moment in seiner Kammer und betrachtete sein Bild in dem großen Wandspiegel. Ja, ob er wollte oder nicht, er ähnelte seinem Vater auf beeindruckende Weise. Das gleiche hellblonde, fast weiß wirkende Haar, der gleiche Blick. Nur die grüne Farbe seiner Augen hatte ihm seine Mutter Sulana vermacht. Zu wenig, um die Ähnlichkeit mit dem Vater zu mindern. In einigen Jahren würde er dessen Reich erben und weiter für Ziele kämpfen müssen, die nicht die seinen war. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er diese elenden Gemetzel schon längst beendet, aber er konnte nicht, dies war sein unausweichliches Schicksal.
Mit soldatischem Schritt näherte er sich dem Thron. Als er vor dem König stand, beugte er das Knie. So war es immer gewesen zwischen Vater und Sohn, ihr Verhältnis war kühl und förmlich. Nie ein liebes Wort, nie eine Umarmung. Als er jetzt daran dachte, fiel ihm ein, dass er noch ein Kind gewesen war, als sie sich zum letzten Mal berührt hatten, damals in Makrat vor einer feiernden Menge, als der König ihn hochgehoben und dem jubelnden Volk gezeigt hatte. Danach nie mehr. Im Grund war er nur ein Untertan, ein Kurier des Todes in Diensten seines Vaters. »Erhebe dich!« Learco gehorchte, hielt aber den Blick gesenkt.
»Ich habe einen Auftrag für dich. Und schau mich an, wenn ich mit dir spreche, du bist der Thronerbe, nicht irgendein Bauer.«
Widerwillig kam Learco der Aufforderung nach. Seit Langem schon war ihm der Anblick des Vaters unerträglich. Es war, als betrachte er sein eigenes Spiegelbild, und es missfiel ihm zutiefst, ihm so ähnlich zu sein. Zudem störte ihn diese Maske des Eroberers, hinter der sich der Urheber so vieler schmutziger Kriege verbarg.
Der König musterte ihn kühl. »Du schaust wieder drein wie ein geprügelter Hund. Das ist deinem Rang nicht angemessen.«
»Ich bin nur müde, Vater, das ist alles«, log der Junge. Dohor schien es ihm nicht abzunehmen, aber das war Learco egal. Nichts von dem, was er tat, fand jemals die Zustimmung seines Vaters. Er konnte dessen Erwartungen einfach nicht gerecht werden und enttäuschte ihn in einem fort.
»Ido ist nicht tot. Er hat damals überlebt und ist schon wieder dabei, unsere Pläne zu stören.«
Learco erstarrte.
»Er hat einen Jungen bei sich, der so viel Gold wert ist, wie er wiegt. Den will er wohl ins Land des Wassers bringen und von dort aus irgendwie verschwinden lassen. Mein Auftrag für dich ist ganz einfach: Spür ihn auf und töte diesen verfluchten Gnomen, schnapp dir den Jungen und bring ihn zu mir.«
Learco ballte die Fäuste. Auch diese Mission behagte ihm keineswegs, genauso wie auch all die anderen, die ihm sein Vater schon übertragen hatte. Einige Jahre lang hatte er sich gefreut, ihm dienen zu können, und darauf gehofft, ihn irgendwann mit seinen Taten und Fähigkeiten zu beeindrucken. Dann aber hatte er erkannt, worauf sich die Macht des Königs gründete, und gleichzeitig gemerkt, dass es ihm niemals gelingen würde, dessen Anforderungen gerecht zu werden. Von diesem Zeitpunkt an hatte er jeden neuen Auftrag als eine weitere schmerzhafte Demütigung erlebt. Doch diese
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