Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
griesgrämig galt.
Der Grund, im Land der Tage mit der Suche zu beginnen, lag darin, dass dort die Halbelfen gelebt hatten, bevor der Tyrann das ganze Volk ausrottete, und dass Nihal eine Halbelfe gewesen war. An Tariks Stelle wäre er jedenfalls nach dem Bruch mit dem Vater und auf den Spuren der eigenen Vergangenheit dorthin gezogen. Zudem hatte Ido im Land der Tage einen alten Freund, der ihm sicher dabei helfen konnte, den Jungen zu finden. Gewiss, das Verbindungsnetz, das während der Jahre im Land des Feuers entstanden war, hatte sich aufgelöst, als der Widerstand zusammenbrach. Ido beschloss damals, sich dem Rat der Wasser anzuschließen, der sich gerade gebildet hatte und über ein eigenes Heer verfügte, um offen gegen Dohor zu Felde zu ziehen. Er selbst war damit aber vom Krieger mehr zum Strategen hinter den Linien geworden. Nicht, dass ihm das besonders gefallen hätte: Praktisch sein ganzes Leben lang hatte er immer nur gekämpft, doch damals ging er dann schon auf die hundert Jahre zu, ein beachtliches Alter selbst für einen Gnomen, und auf das eine Auge, das ihm nach dem Krieg gegen den Tyrannen geblieben war, konnte er sich auch nicht immer verlassen, sodass er manchmal schon sein Ziel verfehlte. Daher war es fast eine Notwendigkeit, sich aus der offenen Feldschlacht zurückzuziehen. Zudem brauchte der Rat in dieser Anfangsphase dringend einen starken Mann, der allen Mut machte und seine ganze Erfahrung in den Dienst der Sache stellen konnte.
Dennoch waren ihm noch ein paar Freunde aus der Zeit, als er immer vorn in der ersten Schlachtreihe kämpfte, geblieben.
Bei den Sonnenbergen in einer der alten Kasernen des Ordens der Drachritter machte er halt. Mittlerweile waren fast alle Drachenritter zu Dohor übergelaufen, der darüber hinaus nach Idos Degradierung auch die Stellung des Obers ten Generals an sich gerissen hatte. Und so waren hier jetzt die Ritter der Blauen Drachen stationiert, ein kleinerer Orden, deren Angehörige, wie der Name schon sagte, blaue Drachen ritten, die kleiner und gelenkiger als die übrigen Drachen waren.
Die Kaserne war in eine Art Hauptquartier umgewandelt worden, von wo aus die Truppen an die Front geschickt wurden. Im Moment herrschte wieder einmal offener Krieg zwischen Dohor und dem Rat der Wasser, und ein heftig umkämpfter Frontabschnitt verlief nicht weit entfernt an der Grenze zwischen dem Land des Meeres und dem der Sonne.
Auch weil er ein frisches Pferd brauchte, nahm Ido dort Quartier. Bis zu diesem Zeitpunkt war er fast unablässig geritten, hatte nachts nur wenige Stunden pausiert, und das arme Tier war völlig erschöpft.
Man empfing ihn mit den üblichen Ehrenbezeigungen, doch der Gnom hatte es eilig und für solche Förmlichkeiten nun wenig Sinn. »Ich brauche nur ein gutes Pferd und Proviant.«
»Gewiss«, nickte der General, der ihn begrüßt hatte. »Aber vielleicht können wir Euch auch noch mit anderem dienen.«
Es stellte sich heraus, dass einer der Ritter am nächsten Tag einen Aufklärungsflug ins Große Land unternehmen und Ido problemlos auf dem Rücken seines Drachen würde mitnehmen können.
Das hörte der Gnom gern. Auf diese Weise konnte er mindestens zwei, drei Tage sparen.
Seit sein eigener Drache Vesa in der Schlacht gefallen war, hatte Ido keinen Drachen mehr geritten. Ja, er hatte sogar geschworen, nie mehr einen Drachen zu besteigen. Vesa war für ihn nicht zu ersetzen, und dieser Vorsatz war Idos Art, dessen Andenken zu ehren. Der Tod seines geflügelten Gefährten hatte eine Lücke gerissen, die nicht zu füllen war.
Vesa war ein normaler Drache gewesen, rot und sehr imposant. Und obwohl jener, der Ido ins Große Land bringen sollte, zur blauen Rasse zählte, war es für Ido ein großer Moment, als er das Tier in der Arena zum Abflug bereitstehen sah. Er spiegelte sich in den Drachenaugen und dachte an die Augen seines Vesa, die nunmehr schon so lange erloschen waren. Zum ersten Mal würde er seinem Vorsatz untreu. Verzeih mir, Vesa, aber du wirst mich sicher verstehen.
Noch einmal seufzte er tief, dann sprang er auf. Der Drache nahm es gelassen hin.
Mit fast feierlicher Sorgfalt nahm Ido die Zügel in die Hand. Es war nicht zu leugnen, er freute sich, wieder einen Drachen reiten zu können. Viele Jahre waren vergangen, seit er zum letzten Mal die harten Drachenschuppen durch das Leder seiner Beinkleider gespürt hatte, die tiefen Atemzüge, das langsame, mächtige Schlagen von Drachenflügeln. Alles wäre perfekt
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