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Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen

Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen

Titel: Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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verflucht.
    Als sie erwischt wurde, war ihr dieses Spiel längst schon zur Gewohnheit geworden. Dabei hatte sie immer sorgfältig darauf geachtet, die Sache geheim zu halten. Wenn sie sich die besudelten Hände im Bach abwusch, konnte sie erleichtert lächeln. Das Blut trieb mit der Strömung davon, und sie war wieder rein.
    Ich werde es nicht mehr tun, das ist das letzte Mal, nahm sie sich immer wieder vor. Doch dann nach ein paar Tagen war es mit dem Vorsatz vorbei. Wieder tat sie so, als gehe sie mit den anderen spielen, schlich sich dann aber in den dichten Wald hinein. Mittlerweile bewegte sie sich so lautlos, dass die anderen bereits begannen, sie zu fürchten.
    Ihre Mutter allerdings nicht, die ihr einmal nachschlich, um herauszufinden, wie sich ihre Tochter die Zeit vertrieb. Als sie, hinter einem Busch verborgen, beobachtete, was Rekla tat, trat sie mit entsetzter Miene hervor. »Was zur Hölle treibst du denn da!?«
    Zum ersten Mal in Reklas Leben war es nun die Mutter, die sie verprügelte. Und während sie zuschlug, schrie sie immer wieder, sie sei ein Ungeheuer, und was sie da treibe, sei eines Menschen nicht würdig.
    Dennoch verriet sie nichts ihrem Ehemann, aber nur um sich selbst Ärger zu ersparen. Sie schloss Rekla in einen Raum ein und gab ihr ein paar Tage lang nichts zu essen.
    Rekla spürte, dass sie es verdient hatte. Ihre Mutter hatte recht. Aber es war zu spät. Was als harmloses Spielchen gelangweilter Jungen begonnen hatte, war für sie zu einem Zwang geworden. Oder kam sie vielleicht doch noch dagegen an? Im Dunkeln ausgestreckt auf ihrem Bett liegend, schwor sie sich noch einmal, dass sie sich ändern würde. Wie, wusste sie zwar nicht, aber sie würde es tun.
    Und so bemühte sie sich, ein ganz normales Mädchen zu werden, sich so wie all die anderen zu verhalten, mit ihren lächerlichen Problemen, ihrem grundlosen Gekicher. Aber es klappte nicht. Sie war böse, hatte abstoßende Dinge getan -wie ihre Mutter ja auch gesagt hatte - und gehörte deshalb auch nicht dazu, zu den Gleichaltrigen, zur Dorfgemeinschaft. Und wenn es tatsächlich so war, warum nicht damit weitermachen? Warum nicht wieder mit diesem Spiel beginnen, das zudem ja das Einzige war, woran sie Freude hatte.
    Und so wurde sie wieder schwach. Und wieder ertappt. Erneut von ihrer Mutter, die vielleicht sogar froh war, endlich einen handfesten Grund zu haben, ihre Tochter zu schlagen und so zu behandeln, wie sie es verdient hatte.
    In dieser Zeit begann Rekla nun, sich auch selbst zu bestrafen. Dazu tauchte sie ihre Hände in eiskaltes Wasser, bis sie ganz gefühllos und rot wurden. Oder sie zwang sich, im dunklen Zimmer so lange auf dem harten Boden zu knien, bis sie vor Schmerz zu weinen begann. Und dabei schwor sie sich immer wieder: Ich werde es nie mehr tun. Nie mehr.
    Es ging nicht. Und je länger sie mit ansah, wie sich ihre Eltern gegenseitig und auch sie, ihre Tochter, immer tiefer hassten, desto weniger gelang es ihr, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, in den sie verstrickt war.
    Eines Abends ging sie in die Stube hinunter, gleich nachdem ihre Eltern wieder einmal gestritten hatten. Das hatte sie noch nie zuvor getan. Sonst hörte sie nur, wie ihre Mutter schluchzend die Scherben und Trümmer vom Boden auflas und beseitigte, und wartete, dass wieder alles normal würde und alle Spuren der Auseinandersetzung getilgt waren. Und sie träumte davon, dasselbe mit ihren schmerzlichen Erinnerungen tun zu können: sie alle auflesen und für immer be seitigen, sie auslöschen, als wenn es sie nie gegeben hätte. An jenem Abend aber war sie nicht müde gewesen und hatte ihr Zimmer verlassen, getrieben von irgendetwas, das sie nicht hätte benennen können.
    In der Stube herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander. Umgekippte Stühle, ein zerbeulter, offenbar mit Wucht auf den Boden geknallter Topf, Blutstropfen und Glasscherben einer zu Bruch gegangenen Flasche. Rekla kniete nieder und nahm eine Scherbe zur Hand. Der Mond, der in das Zimmer schien, ließ sie in unzähligen bläulichen Reflexen erstrahlen. Wie schön, dachte sie.
    Sie drehte das Glas in den Händen hin und her und spürte einen heftigen Schmerz, beobachtete fasziniert, wie sich ihre Handflächen grellrot färbten. Noch fester drückte sie zu und ließ das warme Blut über den Handballen und den Arm hinunterrinnen. Sie hatte ihn verdient, diesen Schmerz, und sie genoss ihn. Gut möglich, dass sie sich absichtlich von ihrem Vater erwischen ließ, weil sie

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