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Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen

Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen

Titel: Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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unterwegs derart belastet hatte, dass sie morgens die Einsamkeit gesucht hatte und sich abends nicht hatte daran gewöhnen können, neben ihm zu liegen. Und nun fehlte er ihr so entsetzlich. Er war fort, und ohne ihn war auch ihre Mission gescheitert. Nur ihm hatte sie es zu verdanken, dass sie einer Rettung näher gekommen war. So sah es aus. Aber weil sie sich nach dem Tod ihres Meisters geschworen hatte, sich niemandem mehr zu öffnen, war es ihm jetzt so wie Jenna ergangen. Auch er hatte ihr beigestanden, hatte sie beschützt, sich um sie gekümmert, und sie hatte ihn fortschicken müssen, um sein Leben zu retten, als die Gilde seinen Kopf verlangte. Jenna war dadurch vielleicht zu retten gewesen, Lonerin aber nicht.
    Das Einzige, was ihr jetzt noch zu tun übrig blieb, war Rekla zu töten und dann irgendwo im dichten Wald ihr Leben zu beschließen, darauf zu warten, dass die Bestie sie zerfleischte. Dann würde ihr Dasein, das so sinnlos war und so viel Leid über sie selbst und andere gebracht hatte, endlich beendet sein.
    Sie selbst hatte nie wirklich eine Rettung angestrebt. Lonerin hatte es gewollt, für sie beide, und dieser Wille war nun mit ihm erloschen.
    Dubhe verbarg ihr Gesicht vor den Blicken der beiden Assassinen. Und ohne dass sie es merkten, weinte sie leise.

Reklas Gabe
    Rekla lag im Finsteren und ließ die Gedanken schweifen. Sie dachte zurück, wie sie einige Stunden zuvor den Kopf verloren und Dubhe mit Fußtritten traktiert hatte. Obwohl sie dadurch ihre ganze Mission aufs Spiel gesetzt hatte, vermittelte ihr die Erinnerung daran auch ein wohlig süßes Gefühl, ein Gefühl, das sie jetzt auch wach hielt. Sie lauschte auf das Atmen des Mädchens, bemerkte, dass es ihr schwerfiel. Dubhe litt, daran gab es keinen Zweifel, und Rekla freute sich über jedes Stöhnen.
    Sie wusste gar nicht mehr, wann sie sich zum ersten Mal am Leid anderer gelabt hatte. Es war so tief in ihrem Wesen verwurzelt, dass sie fast vergessen hatte, wie es einst begonnen hatte. Vielleicht im Spiel. In dem Dorf im Land des Meeres, dem sie entstammte, kam es vor, dass sie den älteren Jungen folgte. Da sie nicht sehr beliebt war, konnte sie ihnen nur aus der Ferne zusehen und sich der Gruppe nie anschließen. Und so beobachtete sie manchmal, dass die Jungen, offenbar aus Langeweile, Tiere quälten. Etwa Grillen die Beine abschnitten oder Schmetterlingen die Flügel ausrissen, und dabei noch grölten und lachten. Diese Szenen hatten etwas Faszinierendes für sie. Die verzweifelten Fluchtversuche der Opfer, ihre Hilflosigkeit, wie sie ums Überleben kämpfen, sich dumpf weigerten, die ihnen zugedachte Folter zu ertragen, und sich so krampfhaft an ihr Leben klammerten.
    Und so kam es, dass sie irgendwann selbst damit begann, Tiere zu quälen, für sich allein, und dabei begriff, dass die Dinge für sie anders lagen: Buly, Granda und deren Freunde vergnügten sich mit diesem Spiel nur, wenn sie zusammen waren. Es war ein Gruppenritual. Sie lachten zusammen, fühlten sich gemeinsam stark. Sie selbst konnte da nicht mittun. Es gelang ihr nicht, Kontakt zu finden, denn sie war zu schüchtern, um einen von ihnen anzusprechen, und das Gefühl, den anderen unterlegen zu sein, die Angst, etwas Falsches zu tun oder zu sagen, lähmte sie geradezu. Aber vor allem waren es die anderen, die sie ablehnten. Weil sie so schweigsam war und weil alle wussten, was bei ihr zu Hause vor sich ging. Ihre Familie stand in einem denkbar schlechten Ruf, und alle kannten ihre Geschichte. Nur sie, Rekla, weigerte sich noch, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen.
    Das einsame Vergnügen, die Tierchen in ihrem Todeskampf zu beobachten, wurde mehr und mehr zu ihrem liebsten Zeitvertreib. Ihrer Mutter erzählte sie, sie gehe mit Freunden spielen. Aber Freunde hatte sie keine. Zur gleichen Zeit wie die anderen Kinder verließ sie das Haus, war aber nicht mit ihnen zusammen. Irgendwo hinter einer verfallenen Mauer oder an einem abgeschiedenen Fleck ließ sie sich nieder und begann ihr Lieblingsspiel.
    »Ich habe gehört, du bist gar nicht mit den anderen zusammen«, sagte die Mutter eines Tages zu ihr.
    Rekla errötete.
    »Bulys Mutter hat es mir gesagt. Wenn dein Vater hört, dass du Lügen erzählst, bekomme ich es ab. Dann wird er wütend und schlägt mich. Verstehst du? Benimm dich doch wie die anderen Kinder in deinem Alter. Und belüg mich nie mehr. Hörst du?«
    Rekla antwortete nicht. Sie redete ohnehin wenig mit ihrer Mutter, hätte auch nicht gewusst,

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