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Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen

Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen

Titel: Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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was sie sagen sollte. Für sie war die Mutter so weit fort wie eine Fremde. Soweit sie sich erinnerte, war sie von ihr nie im Arm gehalten worden, und auch wie sie sich um die Tochter kümmerte, war kalt und distanziert. Es war eine Pflicht, die sie widerwillig erfüllte, und wenn sie mit ihr sprach, dann meistens, um sie zu ermahnen, ihren Vater nicht in Rage zu bringen. Die Beziehung zu ihm war allerdings noch schlechter. Er war sehr viel älter als ihre Mutter und stank immer nach Bier. Wenn sie etwas angestellt hatte, setzte es Schläge, und wenn seine Tochter genug eingesteckt hatte, ging er üblicherweise auf seine Frau los.
    Dann schloss sich Rekla in ihrem Zimmer ein und hielt sich die Ohren zu, um das Geschrei von jenseits der Wand nicht hören zu müssen. Irgendwann wurde es dann still. Ihre Mutter kauerte in einer Ecke des Raums, während der Vater das Haus verließ, um sich volllaufen zu lassen.
    Lange Zeit war Rekla das Verhalten ihrer Eltern vollkommen rätselhaft. Dann irgendwann wurde sie zufällig Zeuge, wie ein Junge einem anderen von ihr erzählte.
    »Das weiß doch jeder, dass ihre Eltern sie gar nicht haben wollten. Eines Abends vor vielen Jahren muss Reklas Vater ihre Mutter mit Gewalt genommen haben. Eigentlich verabscheute sie ihn, weil er ein alter brutaler Säufer war, aber nun wurde sie schwanger, und ihre Eltern zwangen sie, den Alten zu heiraten, um einen Skandal zu vermeiden.«
    Als sie die beiden dann auch noch lachen hörte, hielt es sie nicht mehr länger in ihrem Versteck. Mit geballten Fäusten und vor Zorn zitternder Brust stürmte sie heraus. »Das ist nicht wahr!«, schrie sie.
    »Und warum behandeln sie dich dann so schlecht?«, antwortete der Junge, der die Geschichte erzählt hatte. »Du bist mit Gewalt gezeugt worden, deine Eltern wollten kein Kind, und sie wollen dich auch jetzt nicht haben. Das weiß das ganze Dorf.«
    Das war zu viel. Sie ging auf die beiden los, und es kam zu einer Prügelei, bei der Rekla furchtbar zusammengeschlagen wurde. Und danach setzte der Vater zu Hause die Bestrafung noch schmerzhaft fort. Aber trotz ihrer tränenverhangenen Augen entging ihr nicht, dass ihre Mutter, in einer Ecke des Raums stehend, der Szene ohne einen Funken Mitleid beiwohnte.
    Dennoch wollte sie es immer noch nicht glauben. Für sie waren das alles reine Lügen.
    Es dauerte nicht lange, bis ihr die Insekten nicht mehr genügten. Oft genug hatte sie ihrem Todeskampf zugesehen und kannte ihn mittlerweile in- und auswendig. Nun verlangte sie nach mehr.
    So lernte sie, allein auf die Jagd zu gehen. Jäger gab es nur wenige in ihrem Dorf, denn die Bewohner waren in der Mehrzahl Bauern oder Fischer, doch an Festtagen kam es durchaus vor, dass jemand in der Nähe des Dorfes durch die Hecken streifte und Vögel und anderes Getier erlegte.
    Rekla sah den Jägern aus der Ferne zu. Näher zu kommen, getraute sie sich nicht und wollte sie auch gar nicht. An Menschen konnte sie nichts Interessantes finden, und es war ihr lieber, die Dinge allein durch Beobachten zu lernen und dabei keinen neugierigen Blicken ausgesetzt zu sein.
    Sie stellte fest, dass ihr das Jagen im Blut lag. Es fiel ihr leicht, sich lautlos anzuschleichen, und sie war geschickt im Anfertigen von Waffen und Fallen. Anfangs begnügte sie sich noch mit dem Spaß an der Jagd selbst. Im Jagdfieber stellte sie den Tieren nach, verlor jedoch, sobald sie tot waren, augenblicklich das Interesse an ihnen. Darüber hinaus konnte sie ihre Beute ja auch nicht zum Essen mit nach Hause nehmen: Mit Sicherheit hätte es ihr Vater missbilligt, dass sie sich die Zeit mit so wenig mädchenhaften Dingen vertrieb.
    Mehr und mehr jagte sie nun mit Fallen. Lebend fing sie die Tiere, und manchmal sah sie ihnen zu, wenn sie aus ihren klug konstruierten Fallen zu entkommen versuchten, spielte mit ihnen.
    Es war ein aufregendes und gleichzeitig fürchterliches Vergnügen. Einerseits spürte sie, dass es schlecht war, was sie da tat, und erschauderte gar vor sich selbst. Der Anblick des Blutes ekelte sie, und das ganze Leiden, das sie da vor sich sah, ließ sie nicht kalt. Aber das war eben auch das Erregende: der Schmerz, den sie im Bauch spürte, der Abscheu vor sich selbst, wenn sie sich mit ihrem Opfer amüsierte. Sie fühlte sich stark und gleichzeitig schäbig. Und das war es, was ihr am Winseln der Tiere so gefiel. Dass sie hier bestätigt fand, was die Leute hinter vorgehaltener Hand über sie murmelten: Sie war ein böser Mensch. Sie war

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