Die Schattenmatrix - 20
»Siehst du das große weiße Gebäude dort über der Stadt? Das ist Burg Comyn, und dorthin bringe ich dich.«
»Oh. Wenn du mir von der Burg erzählt hast, dachte ich immer, du meinst ein Gasthaus oder ein Hotel, nicht eine richtige Burg.« Ida keuchte ein wenig und blies Nebelwölkchen in die Luft. »Wieso wohnst du auf eine Burg?« brachte sie schließlich heraus. Margaret hatte Ida nicht viel von ihren Abenteuern auf Darkover berichtet, da das Faxen unglaublich teuer war und weil sie ihre Erlebnisse nicht neugierigen Blicken aussetzen wollte. Angeblich war diese Form der Kommunikation zwar persönlich, aber Margaret hatte eine dunkle Ahnung, dass es nicht ganz zutraf. Sie hatte Ida zwar von Ivors Tod informiert, aber weder erwähnt, dass sie eine Erbin war oder Laran besaß, und auch sonst nicht viel berichtet. Nun kam sie sich ein wenig komisch vor und hatte ein richtig schlechtes Gewissen, weil sie so wenig von sich erzählt hatte. »Genau genommen wohne ich gar nicht auf der Burg. Ich halte mich nur dann dort auf, wenn ich in Thendara bin. Zurzeit lebe ich in Neskaya, das ist ganz im Norden, und ich studiere dort. Normalerweise müsste ich auch jetzt dort sein, aber das Mittwinterfest und dein Besuch haben mir eine kleine Unterbrechung erlaubt.«
Wie zum Teufel sollte sie Ida die Türme von Darkover erklären? »Du studierst? Ist dieses Neskaya ein Musikzentrum?« Ida hatte ein gutes Gehör, und sie hatte sich offenkundig die Sprachdisketten angehört, die ihr Margaret vor Monaten geschickt hatte, denn sie sprach das Wort Neskaya korrekt aus.
Margaret lachte. »Auf Darkover ist überall Musik, Ida. Ich habe seit meiner Ankunft so viel Material gesammelt, dass es mir eine Professur einbringen würde, wenn ich genügend Zeit
und Energie hätte, alles zu ordnen. Aber da ich nicht damit rechne, je an die Universität zurückzukehren …«
»Du kommst nicht zurück?«
»Nicht in absehbarer Zukunft, Ida.« Das Problem war, dass sie überhaupt keine Zukunft absehen konnte. Von wegen AldaranGabe. Ob Gisela sie wohl hat? Schade, dass ich sie nicht einfach danach fragen kann. Aber das würde ich nie über mich bringen. »Ach so. Ich habe mir immer vorgestellt - und Ivor auch -, dass du einmal seinen Lehrstuhl übernimmst, wenn er in den Ruhestand geht. Wir haben uns wirklich darauf gefreut, muss ich gestehen, denn von allen Studenten warst du mit Abstand die beste Wissenschaftlerin. Ganz zu schweigen davon, dass du eine bessere Musikerin bist, als du wahrhaben wolltest. Ich glaube, Jheffy und ein paar andere haben dich so sehr eingeschüchtert, dass du nicht mehr an dich geglaubt hast.«
Wie immer freute sich Margaret über das Lob, doch sie schreckte auch gleichzeitig davor zurück. Sie versuchte die alten Gewohnheiten abzuschütteln. »Das höre ich gern, Ida. Und es tut mir Leid, dass ich dich enttäusche.«
»Vielleicht ist es am besten so.«
»Wieso?« Die Straße vor ihnen sah einigermaßen eisfrei aus, deshalb lockerte Margaret ihren Griff ein wenig, und Ida lächelte ihr zu.
»Die Dinge haben sich sehr verändert, seit du nicht mehr da bist. Und nicht gerade zum Besseren. Man munkelt, dass die Zuschüsse gestrichen werden sollen, nicht nur in der Abteilung Musik, sondern bei allen Künsten, selbst bei einigen Naturwissenschaften. Diese philisterhaften Expansionisten behaupten, Kunst sei Luxus und keine Notwendigkeit, und öffentliche Gelder müssten für so wichtige Dinge wie noch mehr moderne Technik und Waffen ausgegeben werden. Als brauchten wir noch mehr Kanonen! Wir hatten seit Genera
tionen keinen Krieg mehr! Sie versuchen, alle Stellen für emeritierte Professoren zu streichen - sie halten es für Geldverschwendung, alte Kauze durchzufüttern, die nichts mehr leisten. Und nächstes Semester verdoppeln sie die Unterrichtsstunden und streichen außerdem eine große Anzahl an Stipendien. Der Verwaltungsrat ist in hellem Aufruhr, und alles ist ganz schrecklich.« Ida hatte tiefe Sorgenfalten im schmalen Gesicht.
Margaret dachte an die mutmaßliche Sabotage auf Ephebe und an einige Dinge, die Lew ihr erzählt hatte, beschloss jedoch, nichts davon zu erwähnen. »Ich verstehe. Mein Vater vermutete bereits, dass sich die Dinge in diese Richtung entwickeln könnten, deshalb bin ich nicht ernsthaft überrascht, aber es macht mich dennoch traurig.« Sie drückte Idas Hand. »Bald sind wir da, und dann kannst du dich ausruhen, ein schönes heißes Bad nehmen und den ganzen Unsinn vergessen, Ida.«
Ida fing trotz
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