Die Schattenmatrix - 20
wartete, bis sie abgefertigt wurde.
Hinter der Schranke umarmte Margaret die kleinere Frau so heftig, dass sie vom Boden abhob. Dann drückte sie ihr einen dicken Kuss auf die Wange und bekam ihrerseits einen. »Ich glaube, du bist der schönste Anblick seit Tagen«, murmelte Ida.
»Danke! Du siehst ebenfalls wundervoll aus! Komm, wir holen dein restliches Gepäck und machen, dass wir von hier verschwinden. Hier entlang.« Margaret nahm Ida sanft am Arm und führte sie durch ein Labyrinth von Gängen, bis sie die Gepäckausgabe erreichten. Sie fanden Idas Koffer und waren nach wenigen Minuten draußen an der frischen Luft.
»Meine Güte! Kein Wunder, dass du Wollsachen trägst. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es hier so kalt ist. Ich meine, ich wusste natürlich, dass Cottman ein kalter Planet ist, aber darauf war ich dann doch nicht vorbereitet, Maggie! Ist es hier etwa immer so?« »Heute ist eigentlich ein ganz angenehmer Tag für diese Jahreszeit. Aber ich weiß, was du meinst. Komm, bis zur Burg ist es ein hübsches Stück, und es gibt kein Transportmittel. Dein Allwettermantel wird dich warm halten.«
»Wenn du meinst«, antwortete Ida zweifelnd und bibberte am ganzen Leib.
»Ich hätte besser einen dicken Mantel für dich mitnehmen sollen, Ida. Aber ich habe nicht daran gedacht, tut mir Leid.«
Keine der Wachen versuchte sie aufzuhalten, als sie durch das offene Tor traten, aber der Mann namens Ritter warf Margaret einen giftigen Blick zu, als sie an ihm vorüberkamen. Margaret ignorierte ihn. Sie dachte nur daran, wie sie Ida möglichst schnell zur Burg bringen konnte, und verfluchte sich, weil sie keine Kutsche bestellt hatte.
Daryll wartete lässig an einer Mauer gelehnt, aber er nahm sofort Haltung an, als er Margaret sah. Nach einem Blick auf Ida, die den dünnen Stoff des Allwettermantels mit beiden Händen umklammert hielt, zog er seinen eigenen Mantel aus und legte ihn mit einer einzigen anmutigen Bewegung um ihre Schultern, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. Ida schreckte bei der schnellen Bewegung zusammen, aber dann hüllte sie sich in das Kleidungsstück. »Danke. Ich bin über das Alter hinaus, in dem ich Ritterlichkeit erwarte, aber noch nicht so alt, dass ich sie nicht zu schätzen wüsste.«
Der Gardist sah Ida fragend an, da sie Terranisch sprach, nicht Casta. Er schien jedoch zu verstehen, dass sie froh über den Mantel war, und grinste.
»Ist ihm denn jetzt nicht zu kalt?«, fragte Ida besorgt.
»Daryll kommt bestimmt zurecht. Gib ihm deine Taschen. Die Straßen sind ziemlich glatt, und ich will nicht, dass du ausrutschst und hinfällst. Hier, nimm meinen Arm.«
»Na gut«, antwortete Ida leicht mürrisch. »Ich bin aber noch nicht ganz kraftlos, Maggie - noch nicht.«
»Natürlich nicht, aber wenn du dir ein Bein brichst, landest du im terranischen Krankenhaus, und es wäre schade, wenn dein Besuch dadurch verdorben würde.«
»Hast du Ivor etwa auch immer so gegängelt?« Ihr strenger Ton wurde dadurch entschärft, dass sich die kleine Frau mit einem Mantel abmühte, der für eine wesentlich größere Person gedacht war.
Margaret lachte leise. »0 nein. Ivor musste ich nie gängeln, er hat einfach alles mir überlassen und erwartet, dass ich mich darum kümmere.«
»Ja, das sieht ihm ähnlich. Er war ein sehr zielstrebiger Mensch.« Sie klang, als sei sie den Tränen nahe, und Margaret spürte, dass Ida ihre Gefühle nur mit großer Willenskraft in Schach hielt. »Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie gut mir die Nachricht getan hat, die du mir zu seinem Tod geschickt hast?«
»Ja, Ida.«
»Ich bin so müde, dass ich kaum mehr klar denken kann. Nachdem ich tagelang im Raumschiff gesessen habe und nichts anderes getan habe, als zu dösen und auf dem Sitz her-umzurutschen, klinge ich nicht gerade geistreich. Aber ich bin wirklich hundemüde, durch und durch.«
»Ich weiß, Ida, und ich wünschte …«
»Es gibt nichts, was du für mich tun könntest, mein Kind. Nur die Zeit kann meine Wunden heilen.«
Langsam überquerten sie den Platz, und Ida sah sich, leicht auf Margarets Arm gestützt, mit mäßigem Interesse um. Sie kamen wieder am Waisenhaus vorbei, an den Tavernen und Imbissbuden, die sich in der Nähe des Eingangs zum Raumhafen ballten, und erreichten schließlich die engen Straßen Thendaras. Das Eis knirschte unter ihren Füßen, und ihr Atem bildete kleine Nebelwolken vor ihren Gesichtern.
»Wohin gehen wir eigentlich?«, fragte Ida nach einer Weile.
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