Die Schattenmatrix - 20
das glaubst. Aber man kann dir nicht trauen und meinem Sohn ebenso wenig. Ihr habt bewiesen, als ihr mitten in der Nacht…«
»Du bist besessen, Mutter. Du hast jegliches Maß und Ziel verloren.« Mikhail wurde rot vor Zorn. »Schließlich ist Regis noch nicht senil!«
»Vielen Dank, Mikhail«, bemerkte sein Onkel sarkastisch. »Ich hoffte, dass es auch jemandem auffällt. Und natürlich ist das nicht das eigentliche Problem, nicht wahr?«
»Ich verstehe nicht ganz«, antwortetet Mikhail.
»Die eigentliche Frage ist, wie ich Darkover weiterhin regieren soll, wenn du der mächtigste Mann auf dem Planeten bist.« Er schüttelte den Kopf und sah zugleich müde und belustigt aus.
»Du begreifst es nicht, Mikhail, oder? Nein, sicher nicht. Du stellst jetzt eine Bedrohung für mich dar, und das warst du vorher nicht. Und ich muss mich fragen, ob du geduldig warten wirst, bis ich irgendwann eines natürlichen Todes sterbe.«
»Onkel Regis!« Mikhail war entsetzt und gekränkt. Es kostete ihn seine ganze Beherrschung, nicht vor Wut über diese falsche Beurteilung loszubrüllen. Wie konnte man nur an seiner Loyalität zweifeln? Er drängte seine Gefühle mühsam beiseite. »Die Hasturs sind eine langlebige Familie, und ich erwarte, dass du noch mindestens ein halbes Jahrhundert lang durchhältst.«
»Und was genau gedenkst du in der Zwischenzeit zu tun?« Regis’ Augen durchbohrten ihn förmlich.
»Meinen Sohn aufziehen und alle anderen Kinder, die wir noch bekommen werden. Lernen und studieren. Ich werde Jahrzehnte brauchen, bis ich diese Gabe von Varzil wirklich verstanden habe.« Während Mikhail diese Worte sprach, wurde ihm bewusst, wie wahr sie doch waren. Er hatte eine Aufgabe, und die war wichtig. Er musste diese Kräfte, die ihm so unvermittelt zugefallen waren, unbedingt verstehen. Es kam ihm in den Sinn, dass er mit dem, was er bereits erfahren hatte, das Bild der Matrixwissenschaften verändern konnte. Beinahe hätte er laut gelacht. Nun, da er endlich der Herrscher sein könnte, der er als junger Mann werden wollte, hatte er kein Verlangen mehr danach. Und um alles noch schlimmer zu machen, würde ihm wahrscheinlich kein Mensch glauben, dass er auch wirklich meinte, was er sagte.
»Du glaubst wirklich, was du sagst, oder? Angenommen, ich würde dir vorschlagen, dich an einen abgelegenen Ort zurückzuziehen - Dalereuth, zum Beispiel. Es liegt nahe am Meer, das könnte Marguerida gefallen.« Auf Regis’ Gesicht lag nun ein verschlagener Ausdruck, und Mikhail bekam einen lebhaften Eindruck davon, wie sein Onkel Darkover in den vergangenen zwei Jahrzehnten verwaltet hatte.
Gleichzeitig schäumte er insgeheim vor Empörung. Was Regis konnte, das konnte er auch! »Oder ich verlasse Darkover ganz. Ich wollte immer schon reisen, und Marguerida würde nur zu gern an die Universität zurückkehren und ihre Arbeit beenden. Vielleicht könnte ich Herm Aldarans freien Platz im Unterhaus des Senats der Föderation einnehmen.«
Der Gesichtsausdruck seines Onkels spiegelte Schock und Entsetzen wider, diese Möglichkeit hatte er anscheinend nicht bedacht. Aber Mikhail war klar, dass Regis nur wieder improvisierte und nicht ernsthaft die Absicht hegte, ihn und Marguerida nach Dalereuth oder woandershin zu verbannen. Er stellte Mikhail nur auf die Probe, und der verstand zumindest die Logik darin, auch wenn es ihm nicht gefiel. Und er wusste im selben Augenblick, dass man ihm nie gestatten würde, Darkover zu verlassen, solange er Varzils Ring trug.
Regis starrte seinen Neffen an, und seine Miene bot eine interessante Studie widerstreitender Gefühle. Mikhail starrte zurück, bis Regis mit einem Ausdruck des Unbehagens die Augen senkte.
Regis und Danilo Syrtis-Ardais wechselten nun einen Blick und verständigten sich lautlos. Die Stille im Raum war beinahe unerträglich, und das Aufleben des Windes vor der großen Burg schien die aufgewühlten Gefühle in ihr widerzuspiegeln. Schließlich ließ Regis den Blick durch den Raum schweifen, bis er auf Danis ängstlichem Gesicht zu ruhen kam. »Die Idee meines Sohnes - von der ich vollkommen überrascht wurde -ist nicht ohne Vorzüge. Ganz zu schweigen von seinem Groß
mut, den ich mir häufiger wünschte, besonders bei einigen der Anwesenden!«
Dani wurde rot bei diesem Lob, und Mikhail lächelte seinen jungen Vetter an. Neben Mikhail rutschte Marguerida auf ihrem Stuhl umher und nahm eine steifere Haltung ein. Ihr Gesicht war ruhig und vornehm, und Mikhail vermutete, dass sie wieder
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