Die Schattenmatrix - 20
durchzubringen, das den Handel mit Welten beschränken oder ausschließen sollte, die nicht bereit sind, einer expansionistischen Politik die Tür zu öffnen. Dem Senat ist es zum Glück gelungen, beide Anträge abzuschmettern, aber es war eine denkbar knappe Angelegenheit.« »Aber das ist doch verrückt.«
Lew schüttelte den Kopf. »Während meiner Zeit im Senat habe ich die Geschichte der einzelnen Regierungen eingehend studiert - ohne den Vorteil deiner wissenschaftlichen Ausbildung, wie ich gestehen muss. Sag - arbeitet man an der Universität eigentlich immer noch mit dem Text von Kostemeyer über die Lebensdauer von Staaten?« Margaret hielt ihre Überraschung zurück. Sie hatte nie daran gedacht, dass jemand wie ihr Vater den Klassiker der SozioHistoriker gelesen haben könnte. Er war vor zweihundert Jahren von einem Centauri geschrieben worden, und obwohl ihn neuere Arbeiten längst ersetzt hatten, war er immer noch ein viel beachteter Klassiker. »Ja, und er ist immer noch gefragt. Er gehört zur Pflichtlektüre im Fach >Geschichte der Zivilisation< das alle Studenten belegen müssen - sehr zum Verdruss der Ingenieur- und Technikstudenten, die allen Ernstes glauben, Geschichte sei etwas, das nur anderen Leuten
zustößt.« Margaret erkannte, dass sie in Lew immer noch den Mann aus ihrer frühen Kindheit sah und nicht den umfassend informierten und intelligenten Senator von Darkover. Natürlich hatten sie auch nie ein solches Gespräch geführt, bevor sie zum Studium auszog. Wie wundervoll es war, diesen Mann zu entdecken, ihren Vater, der ihr als kleines Mädchen verwehrt geblieben war, und festzustellen, was für ein interessanter Mensch er war!
»Weißt du noch, was er über die Zyklen schreibt - wie nennt er sie gleich noch?«
»Die Gezeiten, Vater.«
»Richtig, jetzt fällt es mir wieder ein. >Es ist die Torheit großer Staaten, dass sie das Auf und Ab des Gezeitenstroms aller Regierungsformen übersehen.< Einfach grandios, findest du nicht? Er hatte eine schöne Sprache. Nach meiner Ansicht steht die Terranische Föderation gerade am Beginn einer Ebbe, die sowohl durch Unterdrückung als auch durch verschiedene Erscheinungen von Dekadenz gekennzeichnet ist.«
»Dekadenz? Wie meinst du das?«
»Wenn einer Kultur die Ideen ausgehen, wird sie dekadent. Und meiner Meinung nach gehen der Föderation gerade in rasendem Tempo sowohl die Ideen als auch der Verstand aus!« Seine Wangen röteten sich ein wenig, und seine Augen funkelten leidenschaftlich. »Anstatt zu erkennen, dass jeder Planet eine einzigartige und wunderbare Welt darstellt, wähnen sich die Expansionisten einer umfassenden Herrschaft näher, wenn sie allen Mitgliedsplaneten terranische Technologien und Verhaltensweisen aufnötigen. Sie begreifen anscheinend nicht, dass sie auf diese Weise eher einen Aufstand auslösen als Macht erringen!«
»Wieso?«
»Weil die Föderation nicht wissen kann, was für jeden Einzelnen das Beste ist, und schon gar nicht für Darkover und an
dere geschützte Planeten! Es wird sogar behauptet, dass geschützte Welten nur die Mittel der Föderation verschlingen und nichts zurückgeben würden.«
»War das mit ein Grund dafür, dass du deinen Sitz im Senat aufgegeben hast?«
»Du meinst, ob ich alles so kommen sah?«
»Ja.«
»Vielleicht. Mir ist aufgefallen, dass die Bürokratie immer umfangreicher wurde, was nach meinem Verständnis von Geschichte immer ein Zeichen für Unterdrückung ist. Genehmigungen, Steuern und Gesetze, die den Verkehr von Menschen und Gütern regeln, wuchsen wie Pilze aus der Erde. Das Ganze fing sehr langsam an, etwa zu der Zeit, als du zur Universität gegangen bist, und zunächst schien es auch nicht ungesund zu sein. Zu der Zeit, als Dio krank wurde, sah ich jedoch schon deutlich die Zeichen an der Wand, und ich wusste, dass ich nicht länger im zunehmend feindlichen Umfeld des Senats tätig sein konnte. Allein die Reisesteuer wurde in den letzten neun Jahren dreimal erhöht.« »Ich weiß. Vergiss nicht, dass ich immer alle Vorbereitungen treffen musste, wenn Ivor und ich von Welt zu Welt gereist sind.« »Natürlich. Daran habe ich gerade nicht gedacht.«
»Mir fiel vor allem auf, dass unsere Zuschüsse immer geringer wurden. Als ich mit Ivor zu reisen begann, konnten wir noch zweiter Klasse fliegen, aber auf den letzten beiden Reisen mussten wir die dritte Klasse nehmen, weil wir fast keine Spesengelder mehr hatten. Das konnte ich beim besten Willen nicht verstehen. Mein Stipendium
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