Die Schattenmatrix - 20
wohl nie einer Meinung sein, Vater. Ich werde mein Bestes tun, um dir eine gehorsame Tochter zu sein, aber ich kann nicht versprechen, dass es mir auch Spaß macht.« Sie seufzte und sah ihren Vater durchtrieben an. »Kannst du Ida Davidson die Reise nach Darkover nicht irgendwie erleichtern? Ich muss ihr noch die Disketten schicken und einen besseren Sprachführer, als ich bei meiner Ankunft hatte. Ich möchte, dass sie sich hier so wohl fühlt wie nur möglich, und es hilft gewaltig, wenn sie die Grundzüge der Sprache beherrscht, bevor sie landet. Ich bin sicher, Onkel Rafe kann mir dabei helfen - er macht sich doch so gerne nützlich, und ich werde es ohne Hemmungen ausnutzen.« Sie grinste ihren Vater an.
Lew sah verwirrt aus. »Hausdrachen«, sagte er liebevoll. »Was man so hört, entwickle ich mich ganz in diese Richtung. Thyra war nicht umsonst meine Mutter.«
»Und du hast mich nie stärker an sie erinnert als in diesem Augenblick. Gib mir bitte das Fax. Ich gehe gleich morgen früh ins terranische Hauptquartier und sehe, was ich tun kann. Aber erwarte bloß nicht zu viel.«
»Danke.«
»Mestra Davidson liegt dir wohl sehr am Herzen.«
»Allerdings.«
»Dann werde ich alle Hebel in Bewegung setzen, um sie nach Darkover zu bringen.« Er seufzte leise. »Ich weiß, du hast es schwer, Chiya. Und ich finde es großartig, wie du dich den Gepflogenheiten hier beugst, so gut du kannst. Ich fand die Anforderungen unserer Welt anfangs ebenfalls lästig und habe dagegen aufbegehrt. Aber ich habe wohl vergessen, wie schwer man es hier als Frau hat - wie viele Einschränkungen es gibt. Ich würde den Planeten für dich ändern, wenn ich könnte.«
»Wirklich?«
Er grinste. »Sofort! Aber da ich es nicht kann, müssen wir zusammen das Beste aus der jetzigen Situation machen. Vielleicht können wir es untereinander zumindest anders halten.«
»Schön zu wissen, dass du die soziale Ordnung auf den Kopf stellen würdest, um mich glücklich zu machen - auch wenn du es nicht kannst!«
»Ich glaube, dass ich genau das mein ganzes Leben lang versucht habe - allerdings ohne großen Erfolg, wie ich leider zugeben muss. Deshalb traut man mir auch nicht, und dir ebenso wenig.« »Wie der Vater, so die Tochter?«
»Genau!«
»Ich habe mich nie für eine Rebellin gehalten, Vater.«
»Ich mich auch nicht, aber anscheinend hat das Schicksal uns zu Revolutionären bestimmt, ob es uns gefällt oder nicht. Du bist die Zukunft, Chiya, und ich glaube, es wird eine sehr gute Zukunft, wenn wir nur irgendwie durch die Gegenwart kommen - die wie immer schwierig ist.«
Du bist die Zukunft. Margaret ließ diesen Gedanken auf sich wirken und spürte, wie sich eine große Ruhe in ihr ausbreitete. Vielleicht war sie doch nicht die Schachfigur, für die
sie sich gehalten hatte. Sie grinste Lew an, und er lächelte zurück, als hätte er ihre Gedanken erraten.
Am nächsten Morgen waren die Straßen Thendaras mit einer dünnen Schneedecke gepudert, als Margaret mit ihrer Harfe von Burg Comyn aufbrach. Sie hatte sich in dem Bewusstsein davongeschlichen, dass es die Sitte verlangt hätte, einen Gardisten oder zumindest ein Hausmädchen mitzunehmen. Aber sie musste allein sein, deshalb hatte sie einfach ihre Stellung missachtet und war über die Treppe zum Stall und einen Hinterausgang aus der Burg entkommen, ohne dass jemand sie gesehen hatte. Die Flucht bereitete ihr ein diebisches Vergnügen, und sie nahm sich vor, ihre Freiheit in vollen Zügen zu genießen.
Margaret sog die kalte Luft tief ein. Es war fast windstill, und ihr Mantel wärmte sie. Thendara roch nach dem ersten Schnee völlig anders - irgendwie frischer. Sie lauschte dem Knirschen unter ihren Stiefeln, den Rufen der Straßenhändler oder Mütter, die ihre Kinder auszankten, und übersah die gelegentlichen Blicke, die man ihr zuwarf, als sie den terranischen Sektor betrat. Sie wusste, dass sie sich mit ihrem Ausflug ohne Begleitung den Vorschriften widersetzte, aber nach dem Gespräch mit Lew am Abend zuvor war ihr regelrecht nach Rebellion und Aufsässigkeit zu Mute. Sie erreichte das Tor des kleinen Friedhofs, auf dem die Terraner begraben wurden, und suchte in den langen Reihen nach Ivors Grabstein. Der Steinmetz hatte seine Arbeit gut gemacht. Ivors Name war fehlerfrei in terranischer Schrift eingemeißelt. Die anderen Gräber waren über und über mit Laub oder Kiefernnadeln bedeckt, sie sahen ungepflegt und ein bisschen verlassen aus. Von Ivors Grab hingegen hatte jemand allen
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