Die Schattenplage
irgendjemand ihm einen Strich durch die Rechnung machen konnte. Jetzt brauchte er nur noch cool zu bleiben. Und er fragte sich, wie viel das Gold wert war. Wahrscheinlich mindestens ein paar Hunderttausend. Nicht schlecht für einen noch nicht mal Dreizehnjährigen.
Der einzige Unsicherheitsfaktor waren die Nipsis. Bestimmt wusste Opa Sørensen von ihrer Existenz, schließlich war er der Verwalter. Seth war ziemlich sicher, dass Opa wissen wollen würde, was mit ihnen geschehen war, damit er weitere Nachforschungen anstellen konnte. Wer war dieser böse neue Herr, den die kriegerischen Nipsis erwähnt hatten? Konnte es der Sphinx sein? In Fabelheim gab es alle möglichen zwielichtigen Gestalten. Trotz der Maßnahmen, die Newel ergriffen hatte, um die bösen Nipsis daran zu hindern, die netten zu unterjochen, war Seth überzeugt, dass der Konflikt noch nicht gelöst war. Wenn er nichts tat, konnten die guten Nipsis ausgelöscht werden.
Trotzdem zögerte Seth. Wenn er verriet, was er über die Nipsis erfahren hatte, würde Opa wissen, dass er sich auf verbotenes Terrain gewagt hatte, und Seth würde nicht nur seine Privilegien verlieren, sondern auch so gut wie sicher das Gold zurückgeben müssen. Außerdem wand er sich innerlich bei dem Gedanken daran, wie enttäuscht alle von ihm sein würden.
Es bestand jedoch eine gewisse Chance, dass Opa auch so herausfinden würde, was mit den Nipsis nicht stimmte. Aber wegen des Verteidigungsrings, den die Nipsis um den Hügel angelegt hatten, hatte Opa vielleicht gar nicht die Absicht, sie in nächster Zeit aufzusuchen. Würde er rechtzeitig dahinterkommen, was im Gange war, und eine Tragödie verhindern? Seit Kendra Vanessas ominösen Brief entdeckt hatte, waren alle derart mit den Ereignissen außerhalb Fabelheims beschäftigt, dass Seth bezweifelte, ob irgendjemand in absehbarer Zeit nach den Nipsis sehen würde. Es bestand sogar die Möglichkeit, dass Opa gar nichts von ihnen wusste.
»Es bleibt doch dabei, dass wir uns heute Abend zusammensetzen und besprechen, was Tanu und Warren herausgefunden haben?«, fragte Kendra ein wenig unruhig.
»Natürlich«, sagte Oma, während sie ihr etwas Brokkoli auf den Teller löffelte.
»Wissen wir, ob sie Erfolg hatten?«, erkundigte sich Kendra.
»Ich weiß nur, dass es Tanu nicht gelungen ist, Maddox zu finden«, antwortete Opa und bezog sich damit auf den Elfenhändler, der sich in das gefallene brasilianische Reservat gewagt hatte. »Und Warren ist viel herumgereist. Ich weigere mich, das Risiko einzugehen, am Telefon über die Einzelheiten unserer heimlichen Sorge zu sprechen.«
Seth gab ein wenig Ketchup auf seinen Hackbraten und nahm einen Bissen. Das Fleisch war fast noch zu heiß, aber es schmeckte großartig. »Was ist mit unseren Eltern?«, fragte er. »Drängen sie dich immer noch, uns nach Hause zu schicken?«
»Uns gehen langsam die Ausreden aus, warum wir euren Aufenthalt noch weiter in die Länge ziehen«, sagte Oma und warf Opa einen besorgten Blick zu. »Die Schule beginnt schon in wenigen Wochen.«
»Wir können nicht nach Hause fahren!«, rief Kendra. »Vor allem nicht, bevor wir wissen, ob der Sphinx unschuldig ist. Die Gesellschaft weiß, wo wir wohnen, und sie wird nicht zögern, uns dort heimzusuchen.«
»Ich stimme dir aus ganzem Herzen zu«, erwiderte Opa. »Aber das Problem bleibt: Wie überzeugen wir eure Eltern?«
Kendra und Seth waren den ganzen Sommer über in Fabelheim gewesen, angeblich um Oma bei der Pflege ihres verletzten Großvaters zu helfen. Er war wirklich verletzt gewesen, als sie vor mehreren Wochen hierher gekommen waren, aber das Artefakt, das sie aus dem umgekehrten Turm geholt hatten, hatte ihn geheilt. Ursprünglich hatten Kendra und Seth zwei Wochen bleiben sollen, doch Oma und Opa war es gelungen, diesen Aufenthalt mittels Telefongesprächen auf über einen Monat zu verlängern – Kendra und Seth berichteten ihren Eltern immer wieder, wie viel Spaß sie hatten, und Oma und Opa betonten, wie sehr die beiden ihnen halfen.
Nach einem Monat waren die Eltern schließlich ungeduldig geworden, also hatten Oma und Opa sie für eine Woche eingeladen. Sie waren zu dem Schluss gekommen, die beste Lösung wäre, ihnen ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, was die wahre Natur Fabelheims betraf, damit sie alle gemeinsam und ganz offen die Gefahr erörtern konnten, in der Kendra und Seth schwebten. Aber wie viele Hinweise sie auch gaben, Scott und Marla hatten sich beharrlich
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