Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
ihren Geschmack nicht in seinem Mund. Und sie wäre nicht vor lauter Scham weggerannt, weil sie sich mit einem Vampir vereint hatte.
Weil sie sich mit
ihm
vereint hatte.
Es kratzte an seinem Stolz, dass sie derart angewidertdavon war. Man sollte meinen, er wäre mittlerweile daran gewöhnt. Elisabetta hatte sich vielleicht nicht für ihn geschämt, aber auch in ihren Augen war er vor Gott weniger als ein Mensch gewesen. Wenn er als Mann akzeptiert werden wollte, dann musste er so tun, als wäre er nicht mehr als das, und seine dahingehenden Bemühungen hatte er nie länger als ein oder zwei Wochen durchgehalten. Deshalb hatte er sich seither, wenn überhaupt, an Frauen aus der Schattenwelt gehalten. Sie verstanden ihn.
Bei Marika musste er zwar nichts vortäuschen, aber sie verstand ihn überhaupt nicht.
Mit einer Mischung aus Wut und Hilflosigkeit sah er mit an, wie sie in der dunklen Gasse hockte und bitterlichst weinte. Wie gern wäre er zu ihr gegangen und hätte sie getröstet. Doch in seinen Armen würde sie keinen Trost finden.
Er wollte sie schütteln dafür, dass sie so närrisch war. Sie hatten doch bloß Sex gehabt. Schließlich hatte er sie nicht in einen Vampir verwandelt. Was sie getan hatten, würde nichts daran ändern, was und wer sie war. Nicht einmal er war hinreichend optimistisch, um
darauf
zu hoffen.
Was die Wirkung dessen anging, in ihr gewesen zu sein, weigerte er sich, auch nur darüber nachzudenken. Es war erstaunlich gewesen, ja, man könnte es wundervoll nennen. Teile von ihm bebten noch.
Und andere Teile verachteten sie dafür.
Nach einer Weile hörte Marika auf zu schluchzen, stand auf und lief ziemlich schnell zu seinem Haus zurück. Sie betrat es allerdings nicht. Stattdessen eilte sie zu dem kleinen Stall hinter dem Haus und sattelte ihr Pferd. Alssie aus der Stadt ritt, folgte Bishop ihr, wobei er schnell genug rannte, um mit ihr mitzuhalten, und zugleich vermied, gesehen zu werden.
Sie ritt zu einer kleinen schmierigen Taverne unterhalb der Berge. Diese erinnerte ihn sehr an das Gasthaus, in das er nach dem Mord an Elisabetta gegangen war. Er hatte es aufgesucht, um die Männer zu finden, die sie getötet hatten, und war dort fündig geworden.
Damals ließ er keinen von ihnen am Leben.
Nun beobachtete er vom Dach aus, wie Marika von ihrem Pferd stieg und hineinging. Mit geschlossenen Augen lauschte er den Geräuschen aus dem Innern und versuchte, ihre Stimme in dem allgemeinen Lärmgewirr auszumachen. Als er sie endlich fand, hörte er, wie sie jemanden fragte, ob »der Engländer« am Abend da gewesen war. Sie dankte dem anderen, und mehr war von ihr nicht zu hören.
Dieser Engländer, hatte er sie überhaupt erst angeheuert? Hatte sie vor, Bishop an ihn zu übergeben, nachdem sie nun auch noch sein hiesiges Versteck kannte? Hielt sie ihn für einen Narren?
Nun, das sollte sie ruhig versuchen! Er war vorbereitet. Und er würde niemanden nahe genug an sich heranlassen, dass er ihn unter Drogen setzen konnte.
Bishop kauerte neben dem Schornstein und ignorierte den schmerzlichen Stich, den ihm allein die Vorstellung versetzte, dass sie ihn verraten könnte. So hielt er sich verborgen, als Marika wieder zu ihrem Pferd ging. In diesem Moment ritten mehrere Leute in den Hof ein, und einer der Männer grüßte sie.
Er hatte einen unverkennbar englischen Akzent.
Obwohl kaum Mondlicht durch die dichten Wolken drang, war der Hof vom Licht aus dem Innern und den spärlichen Laternen hinreichend beleuchtet, dass trunkene Gäste ihren Weg finden könnten. Mithin hatte Bishop klare Sicht auf Marika und ihre Gesprächspartner, was er natürlich nicht zuletzt seinem außergewöhnlich guten Sehvermögen verdankte.
Der Mann war mittelgroß, schmal und hellhaarig wie hellhäutig. Er war nicht wie ein Einheimischer gekleidet, denn dafür war sein Gehrock zu edel und sein Haar zu kunstvoll frisiert. Eindeutig stammte er aus London, mit Umwegen über Paris. Was in aller Welt tat er hier?
Noch interessanter war, was der Mann von ihm wollte. Er sah nicht wie jemand aus, der sich die Hände gern mit Blut befleckte – oder die Krawatte, wo wir schon einmal beim Thema sind. Ein Jäger war er nicht. Und wenn er es wäre, hätte er nicht Marika engagiert. Sammelte er exotische Kreaturen? Bei diesem Gedanken schüttelte es Bishop. Vielleicht aber hasste er auch bloß alles, was nicht menschlich war.
In diesem Fall wäre es kein Wunder, dass Marika bereit war, für ihn zu arbeiten.
Bishop
Weitere Kostenlose Bücher