Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
Bishop sie früher am Abend gebissen hatte. Die Bissmale verheilten schnell, wie sie es stets taten, aber noch waren zwei deutliche rote Punkte zu sehen, die keinen Zweifel daran ließen, was sie verursacht hatte.
»Ich hatte Glück, dass er mich nicht vollständig aussog«, behauptete Marika kühl, »oder Schlimmeres.«
»Ja«, pflichtete der Mann ihr bei und schien zufrieden. »Es hätte Sie ohne weiteres in eine Nachtkreatur verwandeln können.«
Es?
Bishop hätte gelacht, wäre ihm nicht eher danach zumute, diesen eitlen Geck umzubringen. Marika war genauso sehr eine »Nachtkreatur« wie er. Der einzige Unterschied war, dass sie tagsüber hinauskonnte, ohne gleichin Flammen aufzugehen. Allerdings schien sie nicht eben viel Zeit in der Sonne zu verbringen.
Anscheinend hatte sie nicht bloß die Vampirstärken geerbt, sondern auch einige ihrer Schwächen.
»Ihnen ist klar, dass unsere Vereinbarung dadurch hinfällig ist, nicht wahr?« Der Engländer strich sich mit einer Hand übers Revers. »Ich bezahle Sie nicht für Waren, die Sie nicht liefern.«
Marika nickte. »Das Geld, das Sie uns bereits gaben, war mehr als genug.«
Als seine blassen Lippen sich zu einem Lächeln formten, enthüllte er zwei Reihen schiefer Zähne. Selbst wenn der Mann nie etwas gesagt hätte, hätte Bishop ihn spätestens an diesem Lächeln als Engländer erkannt. »Genug, um Ihre verlumpte kleine Truppe für Monate zu ernähren, was?«
»Ja.«
Deshalb hatte sie ihn entführt – nicht bloß, um Informationen über Saint zu bekommen, sondern um Geld zu verdienen, mit dem sie ihren Leuten das Auskommen sicherte.
Gott, wenn es in diesem Tempo weiterging, würde Bishop bald die Heiligsprechung beantragen! Dabei änderten ihre Beweggründe nichts an ihren Taten. Sie änderten gar nichts.
»Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden?« Marika machte Anstalten, in ihren Sattel zu steigen. »Ich würde gern nach Hause zurück. Mir gefällt es nicht, allein draußen unterwegs zu sein, solange Bish… der Vampir frei herumläuft.«
Der Engländer nickte eifrig. »Ja, selbstverständlich.Das Monstrum könnte zurückkehren, um sich zu rächen. Möchten Sie, dass wir Sie begleiten?«
»Nein«, erwiderte sie so verwundert, dass Bishop leise lachte. Allein käme sie allemal besser zurecht als mit diesen Affen!
Der Blonde legte ihr eine Hand auf den Arm, als sie bereits ihren Fuß im Steigbügel hatte. »Ich hoffe sehr, dass Sie mich nicht zum Narren halten, meine Gute!«
Sein drohender Unterton ließ Bishop aufmerken, und er machte sich bereit, jeden Moment einzugreifen.
Marika starrte auf die Hand, bis der Mann sie wieder wegzog. Dann schwang sie sich auf ihr Pferd und ritt fort, ohne sich zu verabschieden. Die Frau hatte wahrlich Mut, das musste Bishop ihr lassen.
»Glauben Sie ihr?«, fragte einer der Begleiter des Mannes.
Der Blonde zuckte nur kurz mit den Schultern. »Entweder sagt sie die Wahrheit, oder sie ist die Hure des Vampirs. Falls sie ehrlich ist, müssen wir uns vorbereiten.«
Bishop merkte auf. Worauf vorbereiten?
»Und wenn sie die Hure des Vampirs ist?«, fragte ein anderer.
Wieder grinste der Blonde. »Dann ist er ein ziemlich kühner Schweinehund.«
Alle lachten und schlenderten zur Taverne, der Engländer als Letzter der Truppe.
Lautlos sprang Bishop vom Dach hinunter ins Gras. Er sollte einfach verschwinden, aber das konnte er nicht – noch nicht.
Eilig folgte er der Gruppe und hielt den Anführer zurück, indem er ihn bei der Schulter packte.
»Fass sie noch ein Mal an, und ich reiß dir die Kehle raus!«, raunte er dem Mann ins Ohr.
Bis der Engländer sich umgedreht hatte, seine Pistole in der zitternden Hand, war Bishop schon weg.
Marika war im Stall hinter Bishops Haus eingeschlafen. Sie hatte sich auf einen Heuhaufen gelegt und mit einer groben Wolldecke zugedeckt.
Sie wachte allerdings in einem Bett auf – in Bishops Haus –, nackt unter frischen Laken und weichen Decken.
Wie hatte sie verschlafen können, dass sie ins Haus getragen wurde? Und wieso hatte sie nicht einmal gemerkt, dass man sie vollständig entkleidete? Guter Gott, was hatte sie sonst noch verschlafen?
Nein, wenn er mit ihr geschlafen hätte, wäre sie gewiss aufgewacht, ganz sicher!
Seltsam, dass sie das, was zwischen ihnen gewesen war, als Liebesakt betrachtete. Vor kurzem noch hätte sie es »Vampirvergewaltigung« genannt und wäre überzeugt gewesen, dass er sie manipuliert hätte, damit sie ihn begehrte. Nur
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