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Die Schattenträumerin

Die Schattenträumerin

Titel: Die Schattenträumerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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hätte schwören können, dass sie sich den Luftzug nicht nur eingebildet hatte, zu deutlich hatte sie dieWärme auf der Haut gefühlt. Stirnrunzelnd starrte sie auf die Statue und fragte sich, ob … Nein, was für ein alberner Gedanke! Sie schüttelte mit einem schiefen Lächeln den Kopf, strich sich eine Locke aus dem Gesicht und wandte sich wieder dem Stadtplan zu.
    »Calle della piccolezza … wo bist du nur?« Konzentriert fuhr Francesca mit dem Zeigefinger die Gassen des Stadtbezirks Santa Croce nach. Plötzlich entfuhr ihr ein Freudenschrei. »Da ist sie ja!«
    Endlich hatte sie die Gasse gefunden. Sie war nicht einmal weit von ihr entfernt. Francesca beugte sich vor, schloss die Transportbox und wollte sich gerade erheben, als sie ein Geräusch innehalten ließ.
    Es klang wie das Knirschen von Stein.
    Dieses Mal war sich Francesca absolut sicher, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Sie fuhr herum. Hektisch suchten ihre Augen den kleinen Campo ab. Es war niemand zu sehen, selbst von den Ratten war kein Geräusch mehr zu hören, als ob sie den Müllhaufen fluchtartig verlassen hätten. Trotzdem spürte Francesca, dass sie beobachtet wurde. Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. Ihr Blick huschte über die Häuser, die verrammelten Fenster, den Brunnen – und wieder zu der Statue. Die Pestmaske war wie ein drohender Fingerzeig direkt auf sie gerichtet.
    Francesca schnappte entsetzt nach Luft. Das war doch nicht möglich! Sie musste sich täuschen, ihre Fantasie spielte ihr einen Streich, nichts weiter. Wahrscheinlich lag es nur an dem Schlafmangel der vorigen Nacht … Ein Bildnis aus Stein konnte nicht den Kopf zur Seite drehen!
    Francesca fuhr sich mit der Hand über die Augen und atmete tief durch. Sie durfte nicht zulassen, dass sie die Angst aus ihren Albträumen nun auch in den Tag hinein verfolgte. Hier war alles völlig normal, sie war in Sicherheit! Und wenn sich die Statue tatsächlich hätte bewegen können, dann hätte sie es sicherlich nicht nur bei einem Drehen des Kopfes belassen.
    Nach und nach normalisierte sich ihr Herzschlag wieder. Sie hob die Transportbox auf und zwang sich, ruhigen Schrittes den Campo zu verlassen. Nur mit Mühe konnte sie das Gefühl abschütteln, dass die Statue sie bis zum letzten Moment nicht aus den Augen gelassen hatte.
    Die Calle della piccolezza war tatsächlich winzig. Ein niedriger, mit Efeu überwucherter Torbogen führte in die nur wenige Schritte lange Gasse, dann endete sie auch schon an einem Kanal, in den der Nieselregen kleine Kreise tupfte. Die Häuser zu beiden Seiten schienen sich unter ihren hochgewachsenen Nachbarn zu ducken und ihre kleinen Fenster erinnerten an Schießscharten – wahrscheinlich konnte kaum Tageslicht in das Innere der Häuser dringen. Kein Wunder, dass Francesca diese Gasse immer wieder übersehen hatte. Über dem Eingang des rechten Hauses wurde ein schwarzes Schild vom nasskalten Winterwetter hin- und hergeschaukelt. Der goldene Schriftzug »Antiquariato Horatio Baldini« war teilweise abgeblättert und kaum mehr zu entziffern. Sie fragte sich, warum Baldini ausgerechnet hier ein Geschäft eröffnet hatte. Sicherlich hatte er nicht besonders viel Laufkundschaft.
    Trotz des »Geschlossen«-Schildes an der Eingangstür griffFrancesca nach der schweren schwarzen Türklinke. Fiorella hatte ihr verraten, dass Baldini auch zur Mittagszeit sein Geschäft nicht abschloss. Die Tür gab ein widerwilliges Ächzen von sich. Der modrige Geruch von Staub, Alter und Vergangenheit schlug Francesca entgegen.
    »Signore Baldini?« Zaghaft tastete sie sich in den spärlich beleuchteten Laden hinein. Es war niemand zu sehen.
    Francesca fühlte sich wie ein unwillkommener Eindringling. »Ist hier jemand?«, rief sie etwas lauter. Keine Antwort.
    Francesca stellte die Transportbox auf einem mit Büchern und Papieren überladenen Tresen ab. Neben einigen liebevoll restaurierten Möbelstücken gab es eine lange Regalreihe, die vollgestellt war mit Kristallkaraffen, zierlichen Statuen, Büsten und verzierten Holzkistchen. Einen Großteil des Raumes nahm jedoch eine aufgebockte, etwa zehn Meter lange Gondel ein. Bewundernd strichen Francescas Finger über die schwarz polierte Oberfläche und die sechs Zacken des metallenen Bugbeschlags, die die Stadtteile Venedigs symbolisierten. Es war seltsam, inmitten eines geschlossenen Raumes eine Gondel stehen zu sehen – als ob man einen Fisch an Land gebracht hätte. Im Inneren der Gondel

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