Die Schatzhöhle
sich und rief die Männer des Dorfes zusammen. Es waren nur ein paar kräftige Alte unter ihnen. Die Schwachen und Kranken hatte Abu Sef auf dem Gewissen. Die meisten von ihnen waren jung, halbe Kinder noch; aber stämmige Kinder.
Sie warteten gespannt auf das, was ihr weiser Häuptling sagen würde.
Baluba hob die Hand. Sein faltenreiches Gesicht war ernst. Anfangs sprach er leise und leidenschaftslos. Aber plötzlich geriet er selbst in Feuer.
Seine Zuhörer hingen wie gebannt an den alten, welken Lippen. Als er geendet hatte, brachen sie in frenetisches Gebrüll aus.
Über Ugawambis Gesicht glitt ein Schein der Überraschung. Er wandte sich an Michel und
sagte:
»Alte Chef gehen selbst mit. Alle gehen.«
»Das freut mich«, sagte Michel. »Es täte mir leid, wenn ich sie nur aus der Hand Abu Sef s befreit hätte, damit ein anderer kommt und sie wieder einfängt.«
»Ugawambi freuen auch. Ich gleich zu Träger gehen und sagen.« »Weshalb so eilig?«
»Träger froh. Nicht mehr Gepäck tragen. Träger jetzt Offiziere von diese Wilden.«
Michel war sprachlos. Diese verflixte Meute wußte aus allem für sich den Rahm abzuschöpfen. Aber Michel gedachte Ugawambis Schlauheit einen gehörigen Dämpfer aufzusetzen.
»Hiergeblieben«, schnauzte er ihn unfreundlich an. »Die Träger werden weiter Träger sein. Ich habe sie nicht bezahlt, damit sie sich diesen Negern gegenüber als Herren aufspielen. Sie werden unsere Lasten tragen, und wer nicht gehorcht bekommt Prügel.«
Ugawambi schüttelte den Kopf. »Ich nix verstehen. Wozu du befreien verdammte Wilde, wenn nicht tragen deine Sachen? Du ungeschickt. Nächstemal Ugawambi wieder mit Sklavenjäger Sklaven fangen. Ich dann gut Geld machen. Ich dann wissen, wo viele Neger fangen auf Weg zu böse Geister.«
Michel saß in der Falle. Er konnte Ugawambi nicht entbehren, weil er ihn als Dolmetscher brauchte. Aber er konnte sich ebenso darauf verlassen, daß Ugawambi sich bestimmt nichts daraus machen würde, einem Sklavenjäger den Weg zum »Berg der bösen Geister« zu zeigen. Blieb nur noch die Hoffnung, daß ein Sklavenjäger die Geschichte nicht glaubte, die ihm Ugawambi auftischen würde.
»Schämst du dich nicht, deine eigenen Brüder zu verkaufen?« sagte Michel schwach.
»Nix Brüder. Das sein Wilde. Ugawambi vornehmer Mann und Schnaps trinken.«
Es war zwar eine eigentümliche Art von Vornehmheit, die Ugawambi da für sich in Anspruch nahm. Aber sie war trotz aller Komik gefährlich.
»Nun«, sagte Michel trocken. »Du wirst gar nicht dazu kommen, so etwas Gemeines zu tun. Ich werde dich nach unserer Rückkehr erschießen, dich und die Träger. Das ist am einfachsten.« Der lange Kerl machte zuerst ein erschrockenes Gesicht. Aber dann grinste er.
»Du niemand erschießen. Ich dich kennen. Du sein ein wenig hier.« « Er faßte sich an die Stirn.
Das war Michel denn doch zuviel. Er holte aus und gab ihm eine gewaltige Ohrfeige, daß er drei Schritte weit flog.
»Au«, schrie Ugawambi, »du haben sehr schwere Hand. Aber du trotzdem ein bißchen hier.«
Wieder faßte er sich an den Kopf, war aber im gleichen Augenblick aus der Hütte des Häuptlings
verschwunden.
Jetzt erhob sich auch Michel und ging.
44
Die Vorbereitungen zur Auswanderung des Bantu-Volkes nahmen nur wenige Stunden in Anspruch. Die Frauen hatten aus ihren wenigen Habseligkeiten ein Bündel geschnürt, das sie auf dem Kopf trugen. In Bastmatten eingehüllt, hingen die wenigen Kinder, die den Überfall Abu Sefs überlebt hatten, auf ihren Rücken.
Die Männer trugen ihre primitiven Waffen und Ackergeräte. Das war alles. Der Stamm zählte
etwas über hundert Seelen.
Der Marsch ins Ungewisse begann.
Die Blätter der Bäume tropften. Der Regen rann unaufhörlich.
Doch schon nach zwei Tagen verlor das Land seinen Tropenwaldcharakter. Es stieg an, wurde bergiger und bergiger.
Man befand sich am Fuß eines ostafrikanischen Randgebirges. Dann sank der letzte dichte Wald zurück, und ein bis zu zweieinhalbtausend Metern aufragendes Gebirge stieg vor den Augen der Wanderer empor.
Die Skizze Tschams wies den Weg. Dieses Gebirge war eingezeichnet; aber man brauchte nicht hinaufzuklettern. Die Route führte an seinem Fuß entlang, immer nach Nordwest. Rechter Hand lag Steppe, so weit das Auge reichte.
Und hier änderte sich das Wetter, aber keineswegs zum Guten, wie Michel insgeheim gehofft hatte.
Hier regnete es ständig, tagaus, tagein. Stets war der Himmel von grauen Wolken verhangen.
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