Die Schatzhöhle
hastig und
unzusammenhängend. Michels Eröffnung schien ihn furchtbar aufzuregen.
»Ihr dürft nicht dorthin«, übersetzte Ugawambi. »Jeder, der sich in die Nähe der bösen Geister wagt, ist ein Kind des Todes.«
»Wir müssen aber hin. Es ist gar nicht anders möglich«, sagte Michel mit Bestimmtheit, um
nicht erst eine große Debatte aufkommen zu lassen.
Baluba schüttelte den Kopf.
»Wir werden euch also nie wiedersehen! Keiner von uns hat es je gewagt, in die Nähe der bösen Geister zu kommen. Aber wir wissen, daß der Berg von Riesen bewacht wird, die in lieblichen, verführerischen Tälern wohnen, in denen das Korn reift wie sonst nirgendwo auf der Erde. Sie hüten diese Täler eifersüchtig. Jeder, der ihr Paradies betritt, ist dem Tode geweiht.«
»Woher wißt ihr das, wenn noch niemand von euch da war?« fragte Michel lächelnd. »Man erzählt es. Schon unsere Großväter haben es erzählt.«
»Es nützt nichts«, ließ Michel antworten. »Wir müssen dorthin. Und wenn es den Berg wirklich gibt, so kommen wir auch hin. Und wir kommen auch wieder. Daran kann es keinen Zweifel geben.«
»Wir bewundern deine Kühnheit. Aber wir fürchten die Vermessenheit«, sagte Baluba. »Ich bin nicht vermessen«, verteidigte sich Michel gegen den versteckten Vorwurf. »Ich weiß zuverlässig, daß vor vielen, vielen Jahren einmal ein sehr frommer Mann auf
diesen Berg gestiegen ist. Er hat dort etwas zurückgelassen. Und das müssen wir holen.«
»Was hat er zurückgelassen?«
»Steine«, sagte Michel. »Sehr seltene Steine.«
»Steine«, erwiderte Baluba und schüttelte den Kopf. »Gibt es nicht überall auf der Welt Steine? Müßt ihr deshalb auf den Berg der bösen Geister klettern?« »Es gibt diese Steine nur dort.«
Baluba schwieg. Er sah, daß er die »Pfeifende Donnerbüchse« nicht von diesem gewagten
Vorhaben abbringen konnte.
Nach einer Weile aber ließ er fragen:
»Sind deine Träger zuverlässig? Werden sie nicht fliehen, wenn sich die Riesen auf sie stürzen?«
»So weit wird es nicht kommen. Wenn sie sich genau nach meinen Vorschriften richten, wird
ihnen nichts geschehen.«
»Du bist sehr zuversichtlich.«
»Ich war auch zuversichtlich, als ich mit meinen beiden Freunden die Sklavenjäger bekämpft
habe.«
Der alte Baluba schwieg beschämt. Dann nickte er.
»Ich wollte dich nicht kränken. So ziehe denn zum Berg des ewigen Schnees und kehre gesund
zurück!«
»Danke. Und was wird aus euch?«
»Was soll werden? Wir werden uns im Gebrauch der erbeuteten Waffen üben.«
»Das wird euch nicht viel helfen. Wenn die Sklavenjäger auf Fang ausziehen, werdet ihr die ersten sein, die sie holen. Abu Sef wird allen Menschen erzählen, wie es ihm ergangen ist. Viele werden kommen, aber dann bin ich nicht da, um euch zu schützen.« »Was sollen wir tun?«
»Ihr müßt euch eine andere Gegend suchen, müßt tiefer ins Land vordringen. An der Küste seid ihr zu sehr gefährdet.«
»Aber dann kommen wir mit denen in Konflikt, die dort leben.«
»Man muß nicht denken, daß man alles nur mit Kampf lösen kann. Wenn ihr auf mich hören
würdet, so wüßte ich einen Plan.«
»Sage ihn.«
»Zieht alle mit mir. Am Fuß des Kilimandscharo siedelt ihr euch an. Wenn ihr dann mit den Waffen, die ihr den Arabern abgenommen habt, ein Schauspiel gebt, wird man Angst vor euch haben und euch achten. Gegen die Weißen oder die Araber sind sie nutzlos. Aber für Eingeborene, die noch nie ein Feuerrohr gesehen haben, wird der Besitzer zu einer unangreifbaren, überlegenen Persönlichkeit.« Baluba hatte mit offenem Munde zugehört.
Was der Weiße sagte, klang ungeheuerlich! Seit Generationen zitterten die Neger der Küste vor
den Riesen am Schneeberg. Und jetzt sollten sie einfach nach dort ziehen, Hütten bauen, Felder
anlegen und sich dort niederlassen?
Baluba dachte lange nach.
Es stimmte — und das fühlte er — hier waren sie nicht mehr lange sicher. Hier würde sich das soeben Durchlebte bald wieder abspielen. Baluba selbst hatte keine große Lust zu diesem Wagnis. Er war alt und würde ohnehin bald sterben. Aber die jungen Leute, Unogi zum Beispiel und Zapa und Platu mit seiner Frau und wie sie alle hießen! Sie waren ja am meisten gefährdet. Sie würden nie in Frieden leben können, und einmal würden sie bestimmt in die Sklaverei geraten. Weshalb sollten sie nicht versuchen, mit Hilfe der »Pfeifenden Donnerbüchse« ein neues Leben zu beginnen? »Warte hier«, bat er jetzt den Pfeifer.
Dann erhob er
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