Die Schatzinsel (Original)
mich, und er sah erleichtert aus. Plötzlich aber wechselte er die Farbe, versuchte sich aufzurichten und rief:
»Wo ist der Schwarze Hund?«
»Hier ist kein schwarzer Hund,« sagte der Doktor, »außer dem, der Euch im Nacken sitzt. [Fußnote] Ihr habt zuviel Rum getrunken; jetzt habt Ihr einen Schlaganfall gehabt, genau wie ich's Euch vorausgesagt habe; ich habe Euch aber, sehr gegen meinen eigenen Willen, noch einmal mit dem Kopfe voran aus dem Grabe herausgezogen. Nun, Herr Bones –«
»So heiße ich nicht!« unterbrach der Kaptein den Doktor.
»Ist mir Wurscht!« antwortete der. »Ein alter Seeräuber, den ich kenne, heißt so; und ich nenne Euch so der Kürze wegen, und was ich Euch zu sagen habe, ist dies: Ein Glas Rum wird Euch nicht umschmeißen, aber wenn Ihr eins trinkt, so werdet Ihr noch eins nehmen und wieder eins, und ich setze meine Perücke zum Pfande: wenn Ihr das Rumtrinken nicht ganz und gar aufgebt, so sterbt Ihr – versteht Ihr dies? – sterbt und geht dahin, wo Ihr hingehört, wie der Mann in der Bibel. Na, nun versucht mal aufzustehen. Ich will Euch zu Bett bringen.«
Mit großer Mühe gelang es uns beiden, dem Doktor und mir, den Kaptein die Treppe hinaufzubringen und ihn auf sein Bett zu legen, wo ihm sofort der Kopf auf das Kissen sank, als ob er beinahe ohnmächtig wäre.
»Also denkt daran!« sagte der Doktor; »ich wasche meine Hände in Unschuld – das Wort Rum bedeutet für Euch Tod.«
Und damit ging er hinaus, um nach meinem Vater zu sehen. Er faßte mich am Arm und nahm mich mit hinaus, und sobald er die Tür geschlossen hatte, sagte er zu mir:
»Das hat nichts zu bedeuten; ich habe ihm genug Blut abgezapft, um ihn für eine Weile ruhig zu halten; er sollte eine Woche im Bett liegenbleiben – das ist das beste für ihn und für euch; aber wenn er noch einen Schlaganfall kriegt, so ist's aus mit ihm.«
3. Der schwarze Fleck
So gegen die Mittagsstunde stand ich vor des Kapteins Türe mit einigen kühlenden Getränken und Medizinflaschen. Er lag noch so ziemlich in derselben Stellung, in der wir ihn verlassen hatten; nur hatte er sich etwas höher hinaufgeschoben. Er schien schwach, zugleich aber auch aufgeregt zu sein.
»Jim,« sagte er zu mir, »du bist hier im Hause der einzige, der was taugt, und du weißt, ich bin immer gut zu dir gewesen. Kein Monat ist vergangen, ohne daß ich dir ein silbernes Vier-Penny-Stück gegeben habe. Und nun sieh mal, Maat, mir geht es verdammt schlecht und ich bin von allen verlassen; und, Jim, du wirst mir ein einziges Nöselchen Rum bringen, nicht wahr, das tust du doch, mein Jungchen?«
»Der Doktor,« fing ich an.
Aber da fluchte er auf den Doktor – mit schwacher Stimme, aber es kam ihm vom Herzen.
»Doktors sind alle Schwätzer,« sagte er; »und der Doktor da – poh, was versteht der von seebefahrenen Menschen? Ich bin an Stellen gewesen, da war's so heiß wie in der Hölle, und die Kameraden fielen rund um mich herum wie die Fliegen vom Gelben Hans [Fußnote] und das Land da schwankte von Erdbeben wie Meereswogen – was weiß so ein Doktor von solchen Ländern? Und ich blieb am Leben, sag' ich dir, und das machte der Rum. Der war für mich Essen und Trinken, und wir waren wie Mann und Frau; und wenn ich nicht meinen Rum haben soll, dann bin ich ein armseliges altes Wrack an einer Leeküste – und mein Blut kommt über dich, Jim, und über den Schwätzer da, den Doktor!«
Jetzt kam wieder eine Reihe von Flüchen, und dann fing er noch einmal an zu betteln:
»Sieh doch mal, Jim, wie mir die Finger zittern. Ich kann sie nicht stillhalten – kann's einfach nicht. Habe an diesem lieben Tag noch keinen Tropfen gehabt. Der Doktor da ist ein Schafskopf, sag' ich dir. Wenn ich nicht einen Schluck Rum kriege, dann krieg' ich das graue Elend; hab's schon ein paarmal gehabt. Ich sah den alten Flint in der Ecke da; da hinter dir; sah ihn klar und deutlich; und wenn ich das graue Elend kriege – na, ich habe ein hartes Leben gehabt, und mir wird schlecht bei dem Gedanken. Der Doktor sagte mir ja selber: ein einziges Glas würde mir nichtsschaden. Ich will dir eine goldene Guinee für ein Nöselchen geben!«
Er wurde immer aufgeregter, und das machte mich unruhig meines Vaters wegen, mit dem es an diesem Tage sehr schlecht stand und der Ruhe nötig hatte; außerdem hatte ja der Doktor wirklich die Worte gesagt, die der Kaptein mir anführte. Der Bestechungsversuch ärgerte mich allerdings; aber ich sagte:
»Ich brauche Ihr
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