Die Schatzsucher-Mafia schlägt zu
wohnt und der anderen im Süden. Der eine ist ein Profi
und klaut sich das Fahrzeug, mit dem er zum Coup fährt. Der andere ist ein
Amateur und kommt mit der eigenen Karre. Ist vielleicht ein bißchen
leichtsinnig und hat sich gedacht: Mitten in der Nacht, bei dem Regenwetter —
da sieht mich doch keiner. Daß Willi und ich unterwegs waren und die Augen
offen hielten — das konnte er nicht ahnen.“
Verblüffung malte sich auf drei
Gesichter.
„Du meinst also“, sagte Karl,
„der zweite Räuber fuhr mit dem Jeep weg?“
Tim nickte.
„Aber der Jeep gehört diesem
inzwischen verstorbenen Rohrnetz-Ingenieur.“
„Letzte Nacht lebte er noch.“
„Um Himmels willen!“ sagte
Gaby. „Bitte, Ehrfurcht vor den Toten!“
„Nur wenn sie’s verdienen“,
hielt Tim dagegen. „Dieser Werner Simon war herzkrank. Aber was ich daraus
geschlußfolgert habe, ist voreilig. Vielleicht war Simon gemütsmäßig ein harter
Brocken. Vielleicht hat er sich den Streß des Überfalls zugetraut. Aber dann —
nach getaner Arbeit — war es doch zuviel für die erkrankte Pumpe. Stunden
später, nämlich vormittags, hat ihn die Aufregung umgebracht.“
Eine Weile dachten Gaby, Karl
und Klößchen nach.
Oskar kratze sich seufzend
hinter dem Ohr.
„Mir ist sehr unbehaglich bei
deiner Überlegung“, sagte Karl. „Ein so frisch Verstorbener. Und wir treten mit
diesem Verdacht an die Leiche heran. Eine Ungeheuerlichkeit, wenn wir uns
irren. Die Witwe würde ausrasten — nicht vor Kummer, sondern vor erbitterter
Entrüstung. Und mit Recht. Wie stünden wir da.“
„Überhaupt!“ sagte Gaby. „Wie
willst du die Nachforschung anstellen? Der Witwe aufs Tuch rücken — auf die
schwarze Trauerkleidung? Das wäre das Schärfste.“
„Wie wir vorgehen“, sagte Tim,
„ist die zweite Frage. Fassen wir erst mal den Entschluß.“
„Ich bin dafür“, sagte
Klößchen. „Wo steht denn geschrieben, daß jemand — nur weil er gestorben ist —
ein Tugendbold war. Finde ich toll, wie du gedanklich kombinierst, Tim:
Überfall, Aufregung, Ableben. Und die Witwe wird mit unbequemen Fragen
verschont wegen der Pie... Pie... wie heißt das?“
„Pietät (Ehrfurcht vor den
Toten)“, sagte Karl.
„Meine ich doch.“
„Also gut“, nickte Gaby und
pustete gegen ihren Pony. „Wir ermitteln. Aber gerade in einer so sensiblen
Angelegenheit ist es wichtig, wie wir vorgehen. Flärte und Frechheit,
Tim, kannst du nicht ausspielen.“
„Ist doch gar nicht meine Art.“
Er grinste.
„Ach nein?“
„Andererseits können wir nicht
anrücken und gleich unser Beileid aussprechen. Wieso auch? Wir wissen von
nichts. Die Traueranzeige steht erst morgen in der Zeitung.“
„Aber wir brauchen einen
Vorwand“, sagte Karl.
„Klar. Und den greifen wir aus
der Luft. Dort gibt’s Vorwände für alles. Willi und ich sind letzte Nacht durch
die Diepensiek-Gasse gefahren. Natürlich, ohne den Überfall zu bemerken. Kein
Wort davon. Willi war schon ganz taumelig vor Müdigkeit und ist gegen den Jeep
geprallt. Crash! Eine Beule und...“
„Wieso immer ich?“ maulte
Klößchen. „Wieso bin ich wieder der Blöde? Ich bestehe darauf, daß du — crash!
— die Beule gemacht hast.“
„Auch recht. Also, ich war so
müde. Habe Beule und/oder Kratzer verursacht. Danach sind wir abgehauen. Aber
nun, bei Tag, piesackt mich das schlechte Gewissen. Ich will den Schaden
gutmachen. Zum Glück habe ich einen Onkel bei der Kfz-Zulassungsstelle. Und
ausnahmsweise — weil er das sonst nicht darf — hat der mir verraten, wem er
gehört, der weiße Jeep mit dem hiesigen Kennzeichen — AG 111.“
„Soviel Edelmut“, sagte Karl,
„wird der Witwe Trost sein in ihrem Schmerz. Aber ich sehe nicht, wie uns dein
Märchen ermittlungsmäßig voranbringt.“
„Karl! Alles andere ergibt sich
dann von selbst. Wir sehen die Witwe. Bei unserer Menschenkenntnis ist das
schon was. Wir spinnen weiter. Und sie muß antworten. Muß erklären, weshalb der
Jeep letzte Nacht in der Gasse stand.“
„Auf die Antwort bin ich
gespannt“, rief Klößchen.
9. Ganoven unter sich
Totenstille herrschte im Haus.
Dazu paßte das eisige
Schweigen, das nun schon seit Minuten auf ihnen lastete: auf Carola Simon und
Edgar Mürr.
Carola schauderte. Sie fühlte
sich ausgehöhlt, müde und dumpf. Sie hatte geweint um Werner, ihren Mann, der
heute vormittag gestorben war. Mit 44 Jahren. Jetzt war sie gefaßt. Sie wußte,
daß sie sich dem Kampf stellen mußte. Mürr war
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