Die Schatzsucher-Mafia schlägt zu
den Vorbeifahrenden zu.
Oskars Schlappohren flogen.
Tim spähte nach rechts, wo die
ungeraden Hausnummern waren.
...19... 17... 15... 13...
„Langsamer, Leute!“
Aus Nummer 11 trat ein Mann.
Ein Beileids-Besucher?
überlegte Tim. Ein Verwandter?
Der Typ war etwa 190 cm groß,
derb, trug Worker-Jeans und schwarze Lederjacke. Der Wind blies ihm durch die
kurzgeschnittenen Blondhaare. Ein altes Tourenrad lehnte am Zaun. Der Mann
schwang sich auf den Sattel.
Die TKKG-Bande rollte jetzt im
Schritt.
Mit ausdrucksloser Miene fuhr
der Mann an ihnen vorbei. Ein streifender Blick.
Fischige Augen, dachte Tim.
Aber ich will keinen Fisch beleidigen.
Tim hielt. Über die Schulter
sah er dem Mann nach.
„Kennst du ihn?“ fragte Gaby.
„Nein. Aber irgendwas an seinen
Bewegungen macht meine Erinnerung munter. Ich versuche mir vorzustellen, wie
der in Regen-Klamotten aussieht und mit dunkler Sturmhaube auf dem Schädel.“
„Du meinst...“
„Beschwören könnte ich’s nicht.
Ich würde nicht mal wagen, einen Verdacht auszusprechen. Aber die Größe stimmt.
Die Figur auch.“
„Absolut“, rief Klößchen. „Dem
mit der MP — dem ist er wie aus der Figur geschnitten.“
Der Lederjacken-Typ war nun
weit entfernt.
Die Kids stellten ihre
Tretmühlen an den schadhaften Zaun.
Oskar bellte über die Straße
hinüber, weil dort — hinter einem geschlossenen Fenster — eine dicke, graue
Katze saß. Sie beobachtete Oskar, ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen.
„Also, Leute“, sagte Tim, „laßt
den Frohsinn heraushängen. Wir wissen von keinem Trauerfall.“
Gartenpforte neben der
geschlossenen Einfahrt zu einer Wellblech-Garage. Ein schmaler Plattenweg, von
fahlem Vorjahrs-Gras überwuchert. Ein schief hängender Briefkasten neben der
Haustür. An ihr ein Messingschild mit den Namen: Werner und Carola Simon.
Tim klingelte.
Nach zwei oder drei
Augenblicken wurde geöffnet.
„Guten Tag“, sagte Tim und
versuchte, möglichst unsicher zu lächeln. „Ich heiße Peter Carsten. Das sind
meine Freunde. Wir möchten zu Herrn Werner Simon.“
Die Frau sah nicht wie eine
Witwe aus — trotz ihrer melancholischen Miene. Zitterten ihre Hände? Jetzt
flocht sie die Finger ineinander und preßte die Lippen zusammen.
„Das... ist nicht möglich. Ihr könnt
nicht zu meinem Mann.“
„Es muß aber sein“, beharrte
Tim. „Es ist wegen letzter Nacht. Wegen der Sache in der Diepensiek-Gasse.“
Peng! Das saß.
Sie ahnt ja nicht, dachte der
TKKG-Häuptling, daß ich was anderes meine als sie.
Carola Simons Gesicht wurde
noch fahler. Jetzt zitterten die Lippen. Ein flackernder Blick glitt über die
Gruppe. Sie schluckte zweimal, um sich den Hals freizumachen für Worte.
„Wegen... Ich... Also, bitte
kommt rein. So zwischen Tür und Angel spricht es sich schlecht.“
„Danke!“ sagte Tim.
Alle, außer Oskar, traten sich
die Füße ab. Denn die Matte vor der Eingangstür war dick und neu. Carola Simon
legte offensichtlich Wert darauf, daß nur saubere Schuhe ihr Eigenheim
betraten.
In der Diele schnupperte Oskar
die Treppe hinauf zum Obergeschoß und begann leise zu knurren.
Tim spürte ein Frösteln auf dem
Rücken und sah Gaby an. Sie war blaß geworden, wodurch ihre Wimpern noch
dunkler erschienen, ihre Augen noch veilchenblauer, ihre Lippen — nein, die
waren fast so blaß wie die Wangen.
Die Kids wurden in einen
Wohnraum geführt.
Tadellos aufgeräumt, dachte
Tim, aber verschlissen. Wie bei einem erfolgreichen Räuber sieht’s hier nicht
aus. Kann natürlich Tarnung sein. Vielleicht haben die Simons ein Schloß in
Südfrankreich. Und eine weiße Luxusjacht.
Tim sah die Frau an. Und
spürte, womit die jetzt rechnete. Mit Erpressung.
Carolas Miene drückte aus, ihr
sei nun alles egal. Ein gequälter Atemzug kam über die Lippen.
„Es ist wegen des weißen
Jeeps“, sagte Tim. „Mit dem städtischen Kennzeichen — AG 111. Der Wagen gehört
Ihrem Mann, nicht wahr?“
Carola nickte.
„Rausgekriegt haben wir das
nur“, sagte Tim, „weil mein Onkel Thorsten dort arbeitet. In der
Kfz-Zulassungs- und Registrierungsstelle. Sie verstehen? Er hat sozusagen ein
Auge zugedrückt und mir Ihre Adresse gegeben.“
Die Frau nickte abermals.
„Ist es sehr schlimm?“
„Was... meinst du?“
„Vielleicht sollte ich doch
lieber Ihren Mann fragen. Wenn Sie ihm mitteilen, worum es geht, hat er
bestimmt einen Moment Zeit für uns.“
Donnerwetter, bin ich
kaltschnäuzig, dachte Tim. Muß aber
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