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Die Scherenfrau

Die Scherenfrau

Titel: Die Scherenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Franco
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Topf.«
    Das Gelächter ließ sie ihre Tragödie vergessen und gab ihr die Schönheit und den Glanz in den Augen zurück.
    »Lass mal sehen«, sagte sie und rückte näher. Sie nahm meine Hände mit einer Sanftheit, die man ihr gar nicht zugetraut hätte. Sie führte sie zu ihrem Mund und pustete, erfrischte sie mit einem kalten Atem, der mich auf den Gedanken brachte, dass Rosario tatsächlich einen Eisblock in sich hatte. Einen Eisblock, den weder ihre Leidenschaft noch ihre Hochspannung zum Schmelzen brachten und der ihr Blut kühlte, damit ihr Willen bloß nicht ins Wanken geriet.
    »Du bist vielleicht ein Trottel«, sagte sie und küsste meine Handrücken. »Deshalb mag ich dich so.«
    »Weil ich ein Trottel bin.« Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. »Verfluchtes Biest«, schimpfte ich in Gedanken. Sie hingegen hielt weiterhin meine Hände zwischen ihren, pustete, ohne mich anzuschauen, amüsierte sich mit einem spöttischen Lächeln, das mich noch mehr zum Trottel machte. Aber dann, als sie ihre Augen schloss und meine Finger an ihre Wange legte und anfing, sich damit zu streicheln, sich mit dieser sanften, mir so fremden Art zu hätscheln, dachte ich, dass es das wert sei.

14
     
    Jedenfalls brachten sie ihn um. Ich weiß nicht, wann er Rosarios Apartment verließ, auch nicht, in was für einem Schlamassel er steckte. Wir hatten nicht mehr über ihn gesprochen. Unser Leben schien wieder auf einen normalen Kurs eingeschwenkt zu sein, und wir verbrachten ein paar beschauliche Wochen. Emilio war zahm wie ein Lämmchen zurückgekehrt, und ich wurde ungefragt auf meinen alten Platz verwiesen. Rosario wirkte nachdenklich, während es Emilio gut und mir richtig mies ging. Eines Morgens, an dem wir in ihrem Apartment erwachten, kam die Zeitung mit Ferneys Foto unter den Polizeinachrichten. Ich entdeckte es als Erster, Rosario und Emilio waren noch nicht aufgestanden. Ich las die Meldung neben dem Foto. Es war die Rede von einem äußerst gefährlichen Verbrecher, der bei einem Polizeieinsatz getötet worden war. Ich schaute mir das Foto noch einmal an, um ganz sicher zu sein. Er war es, mit Vornamen und Nachnamen und einer Nummer auf der Brust, damit auch ja keine Zweifel aufkamen, dass er gefährlich und vorbestraft war. Ich rannte zu ihrem Zimmer, besann mich jedoch eines Besseren. Ich musste an Rosario denken. Wie ihr die Nachricht beibringen? Wie würde sie reagieren? Ich musste zuerst mit Emilio sprechen, mir etwas mit ihm ausdenken, aber er schlief noch. Ich legte mein Ohr an die Tür, um zu hören, ob sie schon wach waren, doch nichts rührte sich. Die Zeit verging, und nichts passierte. Sie schliefen noch immer. Als ich es nicht mehr aushielt, ging ich hin und klopfte an. Emilio reagierte mit einem Grunzlaut.
    »Emilio«, sagte ich von draußen, »du wirst am Telefon verlangt.«
    Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, rannte ich ins Wohnzimmer, um dort den Hörer abzunehmen, gerade noch rechtzeitig, bevor Emilio auflegte, weil niemand in der Leitung war. Ich erwischte ihn bei seinem letzten »Hallo«.
    »Emilio!«, sagte ich mit gedämpfter Stimme. »Komm raus, ich muss mit dir reden.«
    »Und wo bist du?«, sagte er schlaftrunken.
    »Hier, du Idiot! Aber sag bloß nicht, dass ich es bin.«
    »Und warum bist du nicht reingekommen?«, wollte er wissen.
    »Ich kann nicht, du Schwachkopf. Komm endlich raus, ich muss mit dir reden.«
    »Lass mich schlafen.«
    »Emilio! Ferney ist ermordet worden.«
    Sekunden später, so, als wäre das Gespräch gar nicht unterbrochen worden, erschien Emilio zerstrubbelt und mit verschwollenen, aber weit aufgerissenen Augen im Wohnzimmer.
    »Was ist los?«
    »Hier, sieh selbst.«
    Emilio griff nach der Zeitung, bevor ich mit dem Finger auf das Foto tippen konnte. Er setzte sich wie in Zeitlupe hin, während er las und sich den Schlaf aus den Augen rieb. Als er durch war, blickte er mich sprachlos an.
    »Mach schon, zieh dich an, die Sache ist ziemlich übel«, sagte ich zu ihm.
    »Und wer soll ihr das beibringen?«
    Diese Frage hatte ich mir selbst bereits gestellt. Für uns war das Schwerwiegende daran nicht Ferneys Tod, sondern Rosarios Reaktion. Wir kannten sie nur zu gut und wussten, dass einem solchen Todesfall eine ganze Reihe anderer folgen würden und dass es gar nicht verwunderlich wäre, wenn sie uns diesmal einschloss.
    »Na du«, sagte ich zu ihm. »Du bist doch ihr Freund.«
    »Ich!? Sie bringt es fertig und kastriert mich. Wo ich den Typen nicht

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