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Die Scherenfrau

Die Scherenfrau

Titel: Die Scherenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Franco
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diesem Leben abzubrennen. Ich stellte überhaupt fest, dass niemand auf der sicheren Seite war. Ich sage das, weil ich sie bei einem meiner Besuche, die ich ihr abstattete, vor einer Tragödie bewahrte. Oder vor einem Schock, denn in den meisten Fällen genügt eine Sekunde, in der das Schicksal darüber entscheidet, ob es zum einen oder anderen kommt. Rosario hatte von ihren Leuten die Angewohnheit übernommen, die Kugeln in Weihwasser zu kochen, bevor sie bei einer bestimmten Sache zum Einsatz kamen. Diesmal hatte sie vergessen, den Topf vom Herd zu nehmen, und das Wasser war natürlich längst verdunstet. Die Kugeln hüpften in dem Topf, und ich weiß nicht, wo ich den Mut hernahm, ihn eilig wegzuziehen und unter den Kaltwasserstrahl zu halten. In diesen paar Sekunden spielten sich alle möglichen Szenen in meinem Kopf ab: Rosario, wie sie die Küche betritt und die Kugeln sie in einer wilden Explosion treffen. Ich selbst, wie es in dem glühenden Topf in meiner Hand plötzlich peng! macht, bevor das Wasser den Topf trifft. Rosario und ich, wie wir erschossen von einem Herd leblos am Küchenboden liegen. Mit Brandblasen an den Händen und blass, als hätte die Explosion tatsächlich stattgefunden, ging ich zu ihr.
    »Rosario, schau!«, sagte ich mit gepresster Stimme.
    »Was hast du?«
    »Die Kugeln.«
    »Welche Kugeln?«, fragte sie, doch ganz plötzlich fielen ihr die Projektile wieder ein.
    »Verdammt, die Kugeln«, und sie verschwand wie der Blitz in der Küche, ohne mich zu fragen, was mit ihnen passiert war. Natürlich beruhigte sie sich, als sie die Kugeln in einem Topf mit Wasser sah. Als sie zurückkam, lag ich, die Hände in der Luft, ausgestreckt auf ihrem Bett, als wartete ich darauf, dass mir jemand einen Ball vom Himmel herunterwarf.
    »Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht«, sagte sie, ohne meinen Händen Beachtung zu schenken.
    »Was treibst du wieder, Rosario?«, fragte ich sie.
    »Gar nichts, Kumpel. Diese Kugeln sind nicht für mich«, meinte sie. »Ich hab dir versprochen, mich zu bessern.«
    Dann trat Stille ein, und wir schauten uns direkt in die Augen. Ich, um in ihnen die Wahrheit zu finden, und sie, um sie mir zu zeigen. Aber trotz ihres ehrlichen Blicks begriff ich nicht, was die Kugeln in der Küche sollten. Schließlich konnte Rosario meinem lastenden Blick nicht mehr standhalten.
    »Sie sind für Ferney.«
    Sie nahm einen anderen Ausdruck an. Es kam mir vor, als würde sie gleich losheulen. Mit der Hand tastete sie nach einem Platz, um sich hinzusetzen, bis sie schließlich die Bettkante fand. Ich hörte, wie sie tief durchatmete. Sie krampfte ihre Hände ineinander, als klammerte sie sich an eine fremde Hand, nur um mir zu sagen, was sie sonst nie aussprach.
    »Ich habe Angst, Kumpel.«
    Ich stützte mich auf die Ellbogen, um mich aufzurichten. Meine Hände brannten noch immer wie glühende Kohlen. Ich hielt sie weiter von mir gestreckt, aber nicht genug, um Rosario von ihrer Angst zu befreien.
    »Was ist eigentlich los, Rosario?«
    Ich sah, wie ihre Finger mit dem Kettchen an ihrem Handgelenk spielten. Ich sah, wie sie in die andere Richtung blickte, um die richtigen Worte zu finden, um Kraft zu schöpfen, damit ihre Stimme nicht brach und ihr Herzschlag sich beruhigte.
    »Ich habe Angst, dass sie Ferney umbringen, Kumpel. Sie haben ihn reingelegt, und jetzt wollen sie ihn umbringen.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich schwieg, während ich nach dem nächstbesten Satz suchte, um ihr die Furcht zu nehmen. Ich fand keine Worte gegen das bevorstehende Unheil, nichts, was irgendeine Hoffnung geweckt hätte. Nicht einmal eine Lüge.
    »Ferney ist das Einzige, was ich noch habe.«
    »Vielleicht das Einzige, was du von deiner Vergangenheit noch hast, Rosario«, dachte ich, »denn wenn du wolltest, könntest du mich für immer haben und wärst sonst auf nichts angewiesen«, sagte ich stumm zu mir selbst und war gekränkt, weil sie mich ausschloss. Doch muss ich gestehen, dass ich in meinem Egoismus und meiner Eifersucht getröstet war. Denn ich kam nicht umhin, eine gewisse Erleichterung bei der Vorstellung zu verspüren, dass sie allein und schutzlos war, ohne einen von denen, die versuchten, sie zu besitzen. Allein, nur mit mir als rettendem Anker.
    »Warum liegst du so da?«, wechselte sie plötzlich das Thema.
    »Wie so?«
    »Mit den Händen so«, erklärte sie, indem sie mich nachmachte, »als wolltest du einen Ball werfen.«
    »Ich hab mir die Hände verbrannt. An dem

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