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Die Scheune (German Edition)

Die Scheune (German Edition)

Titel: Die Scheune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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meines engsten Freundes gesehen zu haben. Obwohl ich ein eiserner Verfechter der Ansicht bin, dass niemals ein Angehöriger unter das Messer eines entsprechenden Arztes gehöre, so schaffte es diesmal irrsinnigerweise keiner meiner Kollegen mir diese OP auszureden. Die Besprechung hatte sogar so weit geführt, dass ich mich persönlich mit dem Chefarzt angelegt und fast flehend um die eigenhändige Durchführung der Operation gebeten habe.
    Meine Ansicht landet kurzerhand im Papierkorb, und festen Willens betrat ich den Operationssaal. Ich konnte es jedoch nicht verhindern, dass gleich zwei meiner Kollegen sich dafür aussprachen, mir bei der Arbeit behilflich zu sein.
     
    *
     
    Die Ruhe auf der Intensivstation erschien Johnathan nicht mehr so unheimlich wie heute Morgen. Eine Schwester wies ihm freundlich den Weg zu Danes Überwachungszimmer, betonte aber das absolute Eintrittsverbot. Es war von einem Fenster aus einzusehen. Von innen zog sie die silbernen Kunststoffgardinen zur Seite und winkte mit einem Lächeln auf den Lippen.
    Zwei Stunden stand Johnathan vor dem Fenster, bevor Schwester Emma kam und ihn erstmals anlächelte. Jetzt hatte alles seine Ordnung.
     
    Ich fand Johnathan auf dem Flur der Intensivstation vor Danes Zimmer stehen und legte meine rechte Hand auf seine Schulter. Ein kurzes Zucken durchfuhr ihn. Es war Zeit, das Zimmer zu betreten. In enger Vertrautheit nahm ich John mit hinein.
    Für ihn befremdende Geräusche erfüllten das Zimmer. Alles klang hohl: das Piepen des Herz-Lungengerätes, das Zischen des Beatmungsgerätes. Für mich waren es Geräusche des Alltags und nicht weiter aufregend. Das Bett stand mitten im Raum, umgeben von lebenserhaltenden Maschinen. John hatte Mühe, Dane inmitten all der Schläuche zu erkennen. Es zogen sich noch verklebte Blutfäden durch sein Haar. Sein Gesicht war linksseitig durch einen Bluterguss und Schwellungen entstellt, die Augenlider aufgequollen wie ein Boxer nach verlorenem Kampf. Kaum zu fassen, dass sie noch vor weniger als einem Tag fröhlich zusammengesessen und das Lachen ihnen fast den Verstand geraubt hatte. Es war auch kaum zu glauben, Dane je in einem solchen Zustand zu sehen, dass er überhaupt in eine Schlägerei geraten konnte. Johnathan konnte sich nicht entsinnen, Dane jemals außer Kontrolle erlebt zu haben.
    Er war bis zur Brust mit einem weißen Leinentuch abgedeckt. Hämatome im Schulterbereich begannen sich blaugrün zu färben. Ein straff angelegter Brustverband hob und senkte sich langsam. Johnathan war schockiert. Die Atmung ging flach, aber regelmäßig.
    „So sieht's aus“, sagte ich, um die Stille zu unterbrechen. „Angesichts einer starken Prellung am Hinterkopf und der Gehirnerschütterung könnte sich anfangs eine Amnesie zeigen, aber das will ich nicht hoffen. Jetzt bist du an der Reihe. Die Narkose müsste bald abklingen. Vielleicht kannst du ihn kurz zu Bewusstsein holen und feststellen, ob er dich erkennt. Das wäre im Moment das Wichtigste. Ich kann nicht länger hier bleiben. Es warten noch andere Patienten auf mich. Hier am Gerät ist ein Knopf, mit dem du jederzeit meinen Funker erreichen kannst.“
    Ich zeigte ihm eine rote Taste oberhalb des Beatmungsgerätes und sah, dass Johnathan nur blind hinschaute. Er nahm meine Worte kaum wahr. Er sah wieder zu Dane und war niedergeschlagen. Ich sprach weiter: „Ich komme dann so schnell ich kann. Ich bin diese Nacht und morgen den ganzen Tag hier. – Johnathan?“
    Johnathan schaute hoch, immer noch abwesend.
    „Johnathan, hast du mir zugehört? Du musst mit ihm reden, hörst du? Ich muss wissen, ob er dich erkennt. Aber bitte nur reden. Fass ihn nicht an, hörst du?“
    Johnathan sah mich fragend an. Ich redete mich raus: „Er darf sich nicht erschrecken. Also, nicht anfassen.“
    Ehe ich das Zimmer verließ, klopfte ich Johnathan auf die Schulter und nickte, das wird schon. Das leise Klicken der Tür, als sie sich hinter mir schloss, löste in ihm wahrscheinlich alles andere als Kraft aus.
    Johnathan hatte mir nicht richtig zugehört und legte seine Hand auf Danes Hand. Es war schon ein komisches Gefühl, ihn zu berühren. Ganz anders, als wenn er ihm gegenüberstand und ihn anlächelte oder ihm die Hand schüttelte. Die Wärme der Hand gab ihm etwas Zuversicht. „Was soll ich dir sagen, Junge“, begann er leise mit zitternder Stimme. Ja, was sollte er ihm jetzt sagen?
    „Junge, Dane, wie konnte das passieren? Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt? Warum

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