Die Scheune (German Edition)
starke Unruhe, und der ganze Körper bäumte sich plötzlich wieder auf. Dann schrie er: „Nein!!“, und sackte wieder rasch in sich zusammen.
Fassungslos starrte Johnathan seinen Freund an und bekam wieder Angst – Angst vor der gewaltigen Abwehrreaktion und dem Fremden, das Danes Körper umgab; es war nicht nur der sterile Geruch, es war sein ganzes Wesen.
Hallo?, rief das Loch. Kannst du mich hören?
Dane antwortete nicht.
Johnathan drückte die rote Taste am Beatmungsgerät und überfiel mich an der Tür mit der Schilderung des Geschehenen. Er konnte seine Aufregung kaum zügeln.
„Ist okay“, beruhigte ich ihn. „Er durchlebt sicher den ganzen Kampf noch einmal. Das ist normal.“ Ich kontrollierte seinen Puls, der sich wieder in normalen Bahnen bewegte. Seine Atmung war ebenfalls ruhig.
Danes Erwachen hinterließ ein großes Entsetzen bei Johnathan. Er sprach es nicht aus, aber es beunruhigte ihn unermesslich. Das blieb mir nicht verborgen.
Dass sich die ganze Szene noch dreimal in der Nacht wiederholte – auch ohne Berührung, führte letztendlich zu der Handhabe, dass ich ihn in den frühen Morgenstunden aus Selbstschutz anriemen musste. Ich fand es widerlich, aber unumgänglich. Johnathan sah entsetzt zu.
*
„Jim, was ist los mit Dane? Das alles ist doch nicht normal!“ Johnathan sah mich fragend an. Irgend etwas legte sich zwischen uns. Er hatte Recht. Ich wurde verlegen, fast böse, nicht die Ruhe für eine Entscheidung finden zu können. So behütete ich weiterhin das Geheimnis und schottete mich mit der Lüge, es sei die Folge des Kampfes, vollends ab. Johnathan spürte es, musste aber die Schweigepflicht, die ich so derbe einsetzte, hinnehmen. Akzeptieren konnte er es nicht.
Hallo!!, schrie das Loch. Hörst du mich jetzt?!
Ja, antwortete Dane. Wo bist du?
Direkt unter dir. Du brauchst dich nur fallen zu lassen. Ich fange dich auf.
Was passiert dann mit mir?, fragte Dane.
Ich werde dich schützen. Niemand wird von uns erfahren. Rede mit niemanden, halte dich bedeckt. Dann wird dir nichts passieren.
Ist gut, sagte Dane. Aber was ist, wenn ich Angst bekomme?
Das Loch antwortete nicht.
*
Dane lag nach der OP insgesamt eine Woche lang im psychischen Delirium und machte uns allen auf der Station große Sorgen. Wir konnten ihn nicht von der Intensivstation auf ein normales Zimmer verlegen, da er ständig mit seinen Gefühlsaufwallungen kontrolliert werden musste. Er fand sich wahrscheinlich immer wieder in der Situation der Vergewaltigung wieder. Wie eine Schallplatte, die durch einen Kratzer ständig die gleiche Melodie wiederholte. Die kurzen Blickmomente, die wir beobachten konnten, zeigten uns, wie fremd ihm die Umgebung blieb. Sein Körper wand sich nachts durch Angstträume, die er wegzuschreien versuchte.
Ich suchte unablässig Kontakt zu ihm, aber er reagierte nicht auf mich. So konnte ich nicht feststellen, ob er an einer Amnesie litt oder nicht.
So etwas ist mir während meiner ganzen Laufbahn als Arzt noch nicht vorgekommen.
Halte dich bedeckt, sagte das Loch.
Als sich der Zustand eine weitere Woche hinzog, sahen die Schwestern seine Pflege langsam als mühselig, aber auch als bemitleidenswert an. Niemand verlor mir gegenüber ein Wort. Alle respektierten meine Besorgnis und erledigten stumm ihre Arbeit. Immerhin wurden seine täglichen Aufwallungen weniger, und ich konnte ihn wieder von den Riemen befreien. Das tat auch mir gut. Seine äußerlichen Wunden heilten gut. Sein Gesicht bekam langsam wieder den gewohnten Anblick, den wir alle so sehr vermissten. Aber seine Augen öffnete er nicht. Ich beobachtete nur hin und wieder ein leichtes Blinzeln und wurde mit jedem Tag ungeduldiger.
Was zum Teufel war mit ihm geschehen?
Ich habe Angst, sagte Dane.
Wovor?, fragte das Loch.
Dass ich nicht mehr durchhalte. Da sind so komische Gefühle in mir. Mir ist ständig heiß.
Das wird vorübergehn. Hab Geduld, sagte das Loch.
1980. Dreizehn Jahre früher.
Glendale / Kalifornien. Dane, 25 Jahre.
Dane lag mit offenen Augen im Bett. Er hatte Spaß an seinem neuen Spiel bekommen. Zwar hatte er noch nicht herausgefunden, wo der Lochschaufler untergeschlupft war, aber der Zufall hatte es so gewollt, dass Dane auf seine Kosten gekommen war. Zweimal konnte er ihn mit der Waffe erwischen, wobei er das Wort erwischen sehr treffend fand. Denn mehr wollte er nicht. Einmal hatte er ihn in der Gasse der Orilla Avenue und einmal im
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