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Die Scheune (German Edition)

Die Scheune (German Edition)

Titel: Die Scheune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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hätte. Also sagte ich: „Er ist zusammengeschlagen worden.“
    Johnathan schüttelte den Kopf. „Nein, er ist nach oben in sein Bett gegangen.“ Das war für ihn klar.
    „Und dann ist er verschwunden. Zur Palloma“, vervollständigte ich seinen Gedanken.
    „Warum?“
    „Keine Ahnung.“
    „Was in Gottes Namen hatte er dort zu suchen?“
    „Keine Ahnung.“
    Johnathan sah mich mit bitterem Blick an. Er wusste, dass ich eine Ahnung hatte. Er wusste aber auch, dass ich es hasste zu spekulieren.
    „Wie hast du ihn gefunden?“
    Ich erzählte ihm von dem nächtlichen Anruf.
    „War sie auch da?“
    Ich schüttelte den Kopf. Nein, Joan war nicht da gewesen.
    Wir schwiegen. Ich sah ein leichtes Nicken von Johnathan.
    „Ist die Polizei eingeschaltet?“
    „Sicher.“
    „Und?“
    „Nichts. Sie haben nichts gefunden, was uns weiterhilft.“
    „Hast du eine Ahnung?“, fragte er erneut.
    „Nicht die geringste“, log ich wieder.
    „Wenn es Joan war, die …“
    „John, ich weiß nicht, ob sie es war. Es war eben eine Frauenstimme. Sie hat immerhin Hilfe gerufen. Sie hat ihm das Leben gerettet.“
    Johnathan sah mich verbittert an. Ich konnte seine Gedanken lesen. Für ihn war Joan die Schuldige. Ich konnte ihm diese Vermutung nicht einmal verübeln. Irgendwo hatte ich sie ja auch.
    „Wie schlimm sieht es aus, ich meine …“
    „Ziemlich. Hat Dane irgendwelche Verwandten?“
    „Nicht, dass ich wüsste", antwortete Johnathan, und plötzlich überkam ihn eine fremde Angst. Diese Art von Fragen verbarg eine grausame Realität. Er schaute mich wütend an. Ich sah weg und fragte weiter: „Vielleicht Geschwister oder Eltern, Onkel, Tante? Oder war er irgendwann einmal verheiratet?“
    Johnathan schüttelte den Kopf, wütend über die Endgültigkeit dieser Worte. „Woher soll ich das wissen? Das müsstest du doch besser wissen!“
    Ich hielt seinen Angriff schweigend aus, konnte verstehen, wie verwirrt er war. Vorwürfe oder Beschimpfungen von Verwandten oder Freunden eines Patienten waren hier an der Tagesordnung.
    Die OP war nicht so verlaufen, dass ich eine echte Chance gesehen hätte. Es war nun wichtig, Verwandte zu benachrichtigen, um deswegen später keinen Ärger zu bekommen. Aber Dane hatte nie etwas erzählt. Es gab keine Vergangenheit, es gab keine Familie. Damals war er auf seine Art in Kalifornien angekommen und sprach niemals über seine Vergangenheit. Worüber er sprach, war das Leben, das Hier und das Heute. Es gab bisher nichts, was ihm sein Lachen nehmen konnte. Er verkörperte das perfekte Bild eines glücklichen Amerikaners. Doch seine Vergangenheit? Sie existierte nicht für ihn. Dachten wir. Es war schon fast beängstigend. Man könnte sagen, es war alarmierend.
    „Wird er sterben?“, fragte Johnathan leise. Ich sah wieder zu Boden. „Ich will es nicht hoffen.“
    Johnathan blickte zur Decke, mit Tränen in den Augen. Er kniff die Lippen fest zusammen. Er hatte, seit Joan aufgetaucht war, keinen rechten Zugang mehr zu Dane gefunden. Er konnte nicht wissen, was sich in dieser Zeit in ihm abgespielt hatte. Aber er hatte gewusst, dass mit dieser Joan etwas nicht stimmte.
    „Hast du vielleicht Joans Adresse?“, fragte ich, um endlich auf den Punkt zu kommen.
    „Nein, habe ich nicht. Ich habe überhaupt nichts von ihr.“
    Da war es wieder, dieses komische Gefühl Joan gegenüber. Ich wusste, wie Johnathan fühlte, aber wir beide kannten auch Danes Unzugänglichkeit zu seinen Gefühlen und privaten Bereichen.
    „Dann schau dich doch mal in Danes Apartment um. Vielleicht kannst du etwas finden“, schlug ich vor. Johnathan nickte zaghaft. Ich wusste, dass er nichts finden wollte.
    „Das sind wir ihr schuldig, wenn sie nichts damit zu tun haben sollte“, bemerkte ich mit Nachdruck. „Und außerdem sollten wir der Polizei alle erdenklichen Hinweise übergeben.“
    Johnathan nickte. Das leuchtete ihm ein.
    Ich rieb mir die Augen. „Ich bin total erschöpft und möchte erst mal was essen. Ich komme dann später zu euch rüber. Ach ja ...“, sagte ich im Gehen. „Sie werden dich nicht zu ihm lassen, wegen der Ruhe und so, aber du kannst ja am Fenster schauen. Schwester Emma ist ja da.“ Ich war ausgelaugt und für nichts mehr zu gebrauchen, lächelte, hob die Hand zum Gruß und verschwand um die nächste Ecke.
    Johnathan blieb stumm zurück.
     
    *
     
    Zum ersten Mal in meinem Leben brachte ich ein komisches Gefühl mit aus dem OP-Saal. Komisch im Sinne, das tatsächliche Innenleben

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