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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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zu wenig Öl. Delikatessen wie Kuhaugen und Hammelhoden zu lange gedünstet und somit ungenießbar. Spürte Nestor mit seiner ihm so eigenen Denkweise, die sowohl einfach wie kompliziert war, dass sie versuchten, Luoyang den Rücken zu kehren?
    Da tauchte ja endlich Primo auf! Er schien verärgert und besorgt zu sein. Und er war allein. Als er auf die beiden Freunde zukam, warf er einen Blick über die Schulter und raunte dann Sebastianus zu: »Kühner Drache ist tot. Seine Leiche wurde im Fluss entdeckt. Er ist enthauptet worden.«
    »Ming ist unserem Plan auf die Schliche gekommen.«
    Sebastianus musste unwillkürlich an Kleinen Sperling denken, die nach dem nächtlichen Besuch von Kühnem Drachen nicht mehr in sein Bett gekommen war. Er hatte sich nach ihr erkundigt, aber nur ausweichende Antworten erhalten. So als gäbe es sie gar nicht. Verliebt war er nicht in sie. Was er für sie empfand, beschränkte sich immer nur auf die Zeit ihres Zusammenseins. Wenn sein Körper das Mädchen aus einer nördlichen Provinz Chinas liebte, war sein Herz bei Ulrika. Trotzdem hatte er sich gewundert, dass sich Kleiner Sperling plötzlich nicht mehr blicken ließ.
    Jetzt rätselte er darüber nach, ob ihr Verschwinden zur selben Zeit, da man Kühnen Drachen umgebracht hatte, kein Zufall war. Sebastianus war davor gewarnt worden, sich Freudenmädchen gegenüber liebenswürdig zu verhalten. Sie könnten habgierig und eifersüchtig sein, hatten die Eunuchen zu verstehen gegeben. Tagsüber, wenn sie sich langweilten, würden sie untereinander Intrigen anzetteln, jede versuche mit allen Mitteln, sich über die anderen zu erheben. Hatte Kleiner Sperling seine geheime Unterredung mit Primo und Kühnem Drachen belauscht und dann jemandem aus dem Stab des Kaisers Bericht erstattet? Wenn der Kaiser durch sie Kenntnis von dem Fluchtplan erhalten hatte, müsste sie eigentlich reich belohnt worden sein.
    Sebastianus hoffte, dass Kleiner Sperling die wie immer geartete Belohnung für ihren Verrat auskostete. Für ihn und seine Gefährten aber wäre es jetzt unmöglich, aus Luoyang herauszukommen.
    »Meister«, flehte Timonides, »sag dem Kaiser, was er wissen will.«
    »Das darfst du nicht«, zischte Primo. »Roms Truppenstärke, ihre Kampfkraft und Schwachstellen preiszugeben wäre Verrat.«
    »Wenn wir aber anders nicht von hier wegkommen!«, ereiferte sich der Astrologe. »Das wird Cäsar doch verstehen.«
    »Oder uns in die Arena schicken.«
    »Schau einer an!« Sebastianus war der Erste, der die vertraute Sänfte von Edlem Fischreiher auf sie zukommen sah.
    Der hohe Beamte betrat den Boden. »Werter Gast«, wandte er sich mit einer eleganten Verbeugung an Sebastianus. »In aller Bescheidenheit habe ich die Ehre, dich zu informieren, dass der Herrscher über Zehntausend Jahre beabsichtigt, einen Ausflug in die ländlichen Gebiete zu unternehmen, um seinen Vasallen seine neue Kaiserin vorzustellen.«
    Vor mehreren Wochen war Ming von seiner Mutter, der Kaiserlichen Witwe, überredet worden, seine Gemahlin Ma zur Kaiserin zu ernennen. Das hatte man in Luoyang stürmisch gefeiert. Ma war bei den Höflingen beliebt, und auch den Bürgern von Luoyang gefiel alles, was ihnen über sie zu Ohren kam. Selbst Sebastianus bewunderte die junge Frau, die sich ungeachtet ihrer hohen Stellung zurückhaltend und bescheiden gab. Darüber, dass sie sparsam war und oft weniger teure und weniger aufwendig verarbeitete Seide trug, konnten sich die anderen kaiserlichen Gemahlinnen sowie die Prinzessinnen nicht genug wundern. Was Kaiser Ming nicht davon abhielt, sich des Öfteren in wichtigen Angelegenheiten des Staates mit ihr zu besprechen.
    »Der Herrscher über Zehntausend Jahre«, fuhr Edler Fischreiher fort, »möchte seine Liebe und Hochachtung für seine Kaiserin vor seinem ihm ergebenen Volk zum Ausdruck bringen und ihm das Privileg und die Ehre einräumen, ihr zu huldigen. Als Teil der weiterhin andauernden Festlichkeiten aus Anlass ihrer Krönung zur Kaiserin« – er nickte zu den vielen bunten Papierlaternen, die noch nach Wochen der Lustbarkeit den Marktplatz schmückten – »wird der gesamte Kaiserliche Hof an diesem vergnüglichen Ausflug in die ländlichen Gebiete teilnehmen, und der Herrscher des Himmels möchte auch seine Gäste aus Li-chien dazu einladen.«
    Sebastianus und Primo tauschten einen Blick, verstanden sie dieses Vorhaben doch eher so, dass es durch die geballte Präsenz der Han-Familie auf eine Machtdemonstration abzielte und

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