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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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wenn sie China verließen und Cäsar von Kaiser Mings Macht und Stärke Bericht erstatteten. Allerdings würde Ming sein Gesicht verlieren, wenn er den Römern die Heimreise gestattete. Selbst ihnen eine wie auch immer geschickt eingefädelte Möglichkeit zur Flucht einzuräumen würde als Schwäche der Sicherheitskräfte des Kaisers ausgelegt werden.
    Es war eine Sackgasse, in der sie sich befanden. Aber Sebastianus wollte das nicht so hinnehmen; er suchte fieberhaft nach einer Lösung.
    Timonides neben ihm verfolgte missvergnügt und schweigend die Polo-Partie. Was für ein blödsinniger Zeitvertreib, befand er und konnte nur den Kopf über die Zuschauer schütteln, die außer Rand und Band waren, auf und nieder sprangen, fluchten und jubelten. Wagenrennen waren um vieles zivilisierter. Der Astrologe konnte es kaum erwarten, in seine angestammte Welt zurückzukehren. Bestimmt würde man sie in Rom mit Ruhm überschütten, ihnen zu Ehren einen Triumphzug veranstalten und tagelang feiern. Reis und Nudeln waren ja schön und gut, aber Timonides gierte danach, wieder einmal in einen heißen, in Olivenöl getränkten Brotlaib zu beißen.
    Als er Nestor laut auflachend in die Hände klatschen sah, ging dem alten Griechen vor Freude darüber, dass sein Sohn sich so freute, das Herz auf. Er wusste zwar, dass Nestor gar nicht verstand, was sich da vor ihm abspielte, dass es dabei um Punkte ging und Preise verteilt wurden. Dem Jungen gefiel einfach, wie die Pferde, angespornt von ihren Reitern, in höchstem Tempo von einer Seite zur anderen preschten. Es war ja auch gar nicht wichtig, dass Nestor begriff, worum es ging; es genügte, dass er in seinem schlichten Verstand mittlerweile zahllose Rezepte für exotische Gerichte gespeichert hatte, deretwegen man sich in Rom um ihn reißen würde.
    Wir werden ein Speiselokal unweit des Forums eröffnen, dachte Timonides, und von weither werden die Leute kommen, um die Küche des sagenhaften Chinas kennenzulernen. Senatoren werden an den Tischen von Timonides dem Griechen sitzen. Vielleicht sogar Cäsar persönlich …
    Das Polospiel war zu Ende, und die Besucher aus dem Westen – eigens ausgewiesen als Gäste des Kaisers von China – wurden zum Essen ins Zelt des Stammesführer der Tadschiken eingeladen. Ming und seine Gemahlin sowie ihr mehr als fünfhundert Personen zählendes Gefolge, die unnahbare Elite, der Sebastianus und seine Freunde nicht angehörten, speisten hingegen ganz unter sich, in einer Reihe von Pavillons in Rot und Gold.
    Das Bankett, das Stammesführer Jammu ausgerichtet hatte, war überraschend opulent; kostspielige Delikatessen wurden aufgetragen, edler Wein floss in Strömen. Unverkennbar war der Stamm wohlhabend, und Jammus zahlreiche Gäste, die wie Sebastianus und seine Freunde mit überkreuzten Beinen auf erlesenen Teppichen saßen und von Messingtellern aßen, waren ausnehmend gut gekleidet, die Männer in hohen Hüten aus buntem Filz, Westen aus Schafwolle und ledernen Hosen, die Frauen in Pumphosen unter wadenlangen Schichten Seide. Unverheiratete Mädchen verhüllten ihr Gesicht mit einem Schleier, während die Ehefrauen begüterter Männer ihre Stirn mit Goldmünzen geschmückt hatten. Mochten auch in vielen Dörfern und Ansiedlungen, die der Kaiser besucht hatte, Bauern leben, die nur mit Mühe ein Auskommen hatten, so waren diese Tadschiken hier, die den Bergen von Fleisch zusprachen und immer wieder ihre Becher bis zum Rand mit Wein füllten, als begütert einzuordnen.
    Woher wohl ihr Reichtum stammt?, fragte sich Sebastianus.
    Zur Unterhaltung der Männer aus dem Westen traten die üblichen Tänzer und Musikanten, Jongleure und Akrobaten auf, derweil Sebastianus versuchte, Stammesführer Jammu Rom zu beschreiben – inzwischen mit Hilfe eines
vierten
Dolmetschers, der Chinesisch und Tadschikisch sprach und bei Sebastianus Zweifel aufkommen ließ, wie genau sein Bericht, der jetzt über vier Stationen lief, letztendlich übermittelt wurde.
    Noch mehr Wein floss, die Musik wurde lauter, bis Stammesführer Jammu, ein mit Zahnlücken behafteter hochgewachsener Mann mit mächtigem Brustkasten und bronzefarbener Haut, in selbstgefälligem Ton über etwas zu reden anhob, was Sebastianus nicht so recht verstand, weil die Dolmetscher nachlässig wurden, je mehr der Wein ihre Zungen löste. Als sich Jammu nun schwerfällig vom Teppich erhob und seinen Gästen ein Zeichen gab, mussten Sebastianus, Primo und Timonides es ihm wohl oder übel gleichtun.

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