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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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hervorragende Ärzte, aber mit dem heutigen Tag hoben die Frühjahrsfeiern an, und für Babylon begann außerdem das neue Jahr. Wo konnte er diese Männer erreichen?
    »Ich muss wieder in die Stadt. Einen Arzt holen. Kannst du bei ihm bleiben?«
    Ulrika machte es Timonides so bequem wie möglich, legte ihm Umschläge auf die Blutergüsse am Hals, gab ihm schluckweise kaltes Wasser zu trinken. Als sie ihm etwas zu essen anbot, wandte er den Kopf ab.
    Es dämmerte bereits, als Sebastianus wiederkam. Angesichts der Feierlichkeiten und Paraden war es ihm nicht gelungen, einen Heilkundigen aufzutreiben, der bereit gewesen wäre, ihn zu begleiten. »Ich bleibe bei ihm«, sagte Ulrika. »Sein Hals und sein Rachen werden abheilen, aber es ist nicht auszuschließen, dass er sein Leben abermals aufs Spiel setzt.«
    Sebastianus blieb ebenfalls. Sie aßen in Timonides’ Zelt, versuchten ihn zu überreden, etwas Wein zu trinken und über das zu sprechen, was seine Seele belastete. Allzu bereitwillig zeigte er sich allerdings nicht. Er konnte sich zwar bereits wieder aufsetzen, starrte aber griesgrämig auf den mit Teppich ausgelegten Boden. Man hörte ihn brummeln, sah, dass er den Kopf schüttelte. Böse Geister setzten der Seele des alten Griechen zu.
    Am nächsten Morgen erklärte er Sebastianus, dass er nicht wie üblich die Sterne zu deuten gedenke. »Ich werde nie wieder ein Horoskop erstellen. Bis zum Ende meines Lebens werde ich nicht mehr die Sterne betrachten.«
    Sebastianus erschrak. Wenn Timonides in der Vergangenheit krank gewesen war, hatte er sich mit einem gemieteten Astrologen behelfen müssen, aber niemals wäre ihm der Gedanke gekommen, dass Timonides das Deuten der Sterne ein für alle Mal aufgeben würde. »Ich werde mich an einen Sterndeuter in Babylon wenden«, sagte er außer Hörweite des Alten, »der vorübergehend einspringt. Fragt sich nur, ob einer von ihnen auch bereit ist, mit nach Rom zu kommen! Einer, der zudem einen hervorragenden Ruf genießt. Einem zweitklassigen Astrologen kann ich nicht vertrauen. Was könnten wir nur tun, um Timonides umzustimmen? Ich wage nicht, mit dieser Karawane aufzubrechen, ohne vorher die Sterne befragt zu haben.«
    »Ich werde mit ihm sprechen.«
    Nachdem Sebastianus gegangen war, sagte Ulrika: »Timonides, lieber Freund, komm, setzen wir uns ein wenig in die Sonne. Das Tageslicht wird dir guttun.«
    »Nichts wird mir guttun«, entgegnete er, dennoch nahm er neben ihr auf einem Hocker vor dem Zelt Platz. Augen, die einst die Sterne beobachtet hatten, starrten trübsinnig zu Boden. Den Becher, den Ulrika mit Wein füllte und ihm hinstellte, rührte er nicht an.
    Ungeachtet der Betriebsamkeit um ihn herum hockte er gedankenverloren da. Die Sonne stieg höher, vom Euphrat her wehte ein böiger Wind. Unvermittelt sagte er: »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich Grieche bin. Ich wurde als Säugling ausgesetzt, und eine griechische Witwe nahm mich bei sich auf. Sie gab mir meinen Namen und vermittelte mir ihre Sprache und ihre Kultur. Mit sechs Jahren gab sie mich zu einem Astrologen in die Lehre, und als sie starb, landete ich auf dem Sklavenmarkt. Der Vater von Sebastianus kaufte mich, und seither stehe ich in den Diensten der Familie Gallus. Nestor war mein einziger Blutsverwandter. Er war mehr als mein Sohn. Er war mein Universum. Jetzt bin ich ganz allein …«
    Er griff nach dem Weinbecher. Als Ulrika sah, wie seine Hand zitterte, sagte sie sich: Seine Verbitterung ist ein einziges Durcheinander von Gefühlen. Er ist nicht imstande, geradeaus zu denken.
    Und da kam ihr eine Idee.
    »Hör zu, Timonides. Als ich mir die Fähigkeit zur Meditation aneignete, um meine spirituelle Gabe zu nutzen, stellte ich fest, dass mich hinterher ein Gefühl von Gelassenheit und Frieden überkam. Vielleicht sollte ich dir mal zeigen, wie …«
    Er blinzelte sie an. »Meditation?«
    »Es ist wirklich ganz leicht und erfordert kaum Mühe, nur Konzentration. Und das ist deiner Vorbereitung zur Deutung deiner Sternenkarten nicht unähnlich. Eine Läuterung des Verstandes. Ein Weg, um sich ganz auf etwas einzustellen. Möchtest du es einmal versuchen?«
    »Wozu?«
    »Um deiner Seele Frieden zu verschaffen, Timonides.«
    »Meine Seele verdient keinen Frieden.«
    »Dann tu es mir zuliebe. Ich habe diese Technik noch nie jemandem vermittelt. Ich möchte wissen, ob das möglich ist.«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Gibt es etwas, das dir lieb und teuer ist? Etwas, das du in die Hand

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