Die Schicksalsgabe
waren, fragte sie sich, ob Jakob nicht auch ein Verehrungswürdiger war.
In Primos Zelt packte der Sekretär sein Schreibzeug zusammen. »Ich werde dafür sorgen, dass dein Brief gleich morgen früh im Haus des Publius abgegeben wird«, sagte er. Nachdem er Primo das Diktierte vorgelesen, Korrekturen angebracht und alles nochmals fein säuberlich abgeschrieben hatte, hatte er den Papyrus zusammengerollt, mit Wachs betropft und Primo seinen Siegelring darauf drücken lassen.
»Gute Arbeit«, lobte Primo und wollte schon in seinen Beutel mit Münzen greifen, als er galoppierende Pferdehufe näher kommen hörte.
»Warte«, beschied er den Babylonier. »Vielleicht kommt noch etwas dazu.«
Sebastianus sprang vom Pferd. »Ulrika!« Er rannte auf sie zu. »Ich konnte nicht mit dem Hohepriester sprechen«, sagte er atemlos. »Er wollte mich nicht empfangen. Daraufhin habe ich den Gouverneur aufgesucht, aber diese Angelegenheit liegt außerhalb seiner Kompetenz. Ulrika, nicht einmal mein Freund Hashim, der einflussreiche Geldwechsler, konnte helfen. Ich habe meine Sklaven bereits angewiesen, den Aufbruch der Karawane vorzubereiten. Bei Tagesanbruch wird alles bereit sein.«
Nach einem Blick auf die verschreckte Menge – Mütter mit Kleinkindern, Männer mit lahmen Beinen, Blinde und Kranke – senkte er die Stimme. »Der Hohepriester ist auf dem Weg hierher. In Begleitung einer Garde, wie zu erfahren war. Ulrika, ich bin mir sicher, dass ich mit dem Mann vernünftig verhandeln kann. Wichtig ist nur, nicht in Panik zu geraten. Wenn sich diese Menschen da ruhig und gesittet verhalten und es den Priestern und Marduk gegenüber nicht an Respekt fehlen lassen, dann gestatten sie uns bestimmt, unbehelligt in die Stadt zurückzukehren.«
»Sebastianus.« Ulrika legte eine Hand auf seinen Arm. »Ich muss nach Judäa.«
»Nach Judäa!« Verständnislos sah er sie an. »Was meinst du? Warum denn?«
»Ich glaube, dass Rachels Ehemann ein Verehrungswürdiger ist und es mir bestimmt ist, ihn ebenso wie Rabbi Judah zu beschützen. Außerdem hat mir Rachel das Leben gerettet und war eine meiner Lehrmeister. Ich bin es ihr schuldig.«
»Rom hat weitere Legionen nach Judäa entsandt«, sagte Sebastianus besorgt. »Die Unruhen unter den jüdischen Aufständischen weiten sich aus.«
»Jakob ist für Rachel unermesslich kostbar. Es gilt zu verhindern, dass er in die Hände der Römer fällt, die ja seine Feinde waren. Ich muss nach Judäa und ihn und Rachel in Sicherheit bringen.«
»Und wo soll dieser sichere Ort liegen?«
»Das weiß ich nicht, aber wie an Judah muss auch die Erinnerung an Jakob bewahrt werden. Nur dass ich diesmal anders vorgehen werde, nicht so unverantwortlich wie bei Judah. Ich muss mir das gut überlegen.«
»Alles in Ordnung, Meister?« Primo trat hinzu.
»Der Hohepriester ist mit einer bewaffneten Eskorte hierher unterwegs. Ich möchte keine Provokation. Wir werden das auf friedliche Weise regeln. Alles, was sie wollen, ist, dass diese Menschen da in die Stadt zurückkehren. Genau das werden wir veranlassen. Ab morgen dann wirst du dafür sorgen, dass all meine Waren und meine Leute sicher nach Rom gelangen. Ich übertrage dir die Verantwortung für die Karawane.«
Primos narbiges Gesicht verzog sich zu einer finsteren Grimasse. »Und was hast du vor, Meister?«
»Ich reise mit Ulrika nach Judäa.«
»Du willst die Karawane verlassen?!« Dem alten Soldaten verschlug es vor Schreck schier die Sprache. Sein Meister stand in der Tat im Bann einer Hexe.
»Du hast deine Befehle erhalten.«
»Lass mich dich nach Judäa begleiten.« Blitzschnell hatte Primo nachgedacht. Was hatte das Mädchen da eben gesagt? Sie wolle verhindern, dass etwas unermesslich Kostbares in die Hände der Römer fiel? Etwa ein Schatz? Und es müssten zwei Juden namens Rachel und Jakob in Sicherheit gebracht werden? Das war eindeutig ein verräterischer Akt! Urplötzlich war Primo von dem Wunsch beseelt, seinen Meister vor Cäsars Vergeltung zu beschützen. Auch wenn er dadurch selbst Verrat beging.
»Du wirst Verstärkung brauchen, Meister. In der Provinz Judäa gärt ein Aufstand, die römische Armee hat ihre Truppen bereits verstärkt. Es dürfte von Vorteil für dich sein, einen ehemaligen Legionär bei dir zu haben. Ich verfüge noch immer über gute Verbindungen.«
»Ich brauche einen zuverlässigen Mann, der die Karawane begleitet.«
»Dann werde eben ich die Karawane nach Rom führen, Meister«, kam es von
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