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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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übersehenden Abbilder von Marduk standen, in Germanien Eichenbäume Odin symbolisierten und es von Rachels Gott unweit des Salzmeeres keinerlei Abbild gab, waren hier, in dieser abgeschiedenen Bergregion, Götter in Form einzelner Lichter repräsentiert, die ununterbrochen brannten.
    Gottheiten waren, wie Ulrika sich eingestehen musste, so unterschiedlich und mannigfaltig wie die Menschen, die sie verehrten.
    Sie stellte sich an das Kopfende des Tisches. »Schau hoch zur Decke«, wies sie den Bauern auf Griechisch, der Sprache dieser Leute, an – eine weitere Hinterlassenschaft des großen Eroberers Alexander.
    »Es dreht sich alles«, stöhnte der Mann.
    »Hab noch ein wenig Geduld. Sprich ein Gebet, das hilft bestimmt.«
    Er murmelte den Namen seines Gottes dreimal in einem Atemzug und dann wieder dreimal hintereinander, und dazu malte er jeweils dreimal mit einer Hand irgendwelche Zeichen in die Luft, während er mit der anderen etwas drückte, was wie eine Hasenpfote aussah. Wie Ulrika wusste, gab es auf der Welt die unterschiedlichsten Religionen, manche sogar voller Ungereimtheiten; was ihnen jedoch gemein war, war immer ein durchaus menschlicher Hang zum Aberglauben. Ob germanische Krieger, Bürger Roms, Seefahrer in Antiochia, Zeltbewohner in Judäa, Zwiebelhändler im parthischen Babylon oder Gebirgsbewohner in Persien – sie alle glaubten an Glück und Unglück und an die vielen Möglichkeiten, Ersteres herbeizuwünschen und Letzteres zu bannen.
    Die Gäste in der Taverne wurden stumme Zeugen, als Ulrika ihrem Patienten die Hände an beide Seiten seines Kopfes legte und ihn dann vorsichtig einige Male von links nach rechts drehte, bis sein Gesicht schließlich wieder voll sichtbar war. »Jetzt setz dich mit einem Ruck auf!«, wies sie ihn an.
    Er tat wie geheißen, richtete sich mit weit aufgerissenen Augen und schlaffem Kiefer auf dem Tisch auf. Die Zuschauer warteten gespannt ab. Und als er ausrief: »Bei den Brüsten von Ishtar! Das Schwindelgefühl ist weg!«, rissen sie jubelnd die Arme hoch.
    Da gewisse Formen von Benommenheit mit dieser Behandlung nicht zum Verschwinden gebracht werden konnten, war Ulrika umso erleichterter vom Erfolg dieser einfachen Therapie gegen ein Leiden, das gelegentlich Menschen in den Selbstmord trieb. Sie war froh, dass sie hatte helfen können.
    »Gute Frau!«, rief der persische Bauer und fiel vor ihr auf die Knie. »Ich stehe für immer in deiner Schuld! Ich war schon so verzweifelt, dass ich den Magus aufsuchen und ihn anflehen wollte, mich von meinem Elend zu erlösen.«
    Ulrika half dem Mann auf die Füße. »Den Magus?«
    Der Perser blinzelte eulenhaft. »Du weißt nicht, wer der Magus ist? Den kennt hier doch jeder! Er lebt in der Stadt der Geister, in einem hohen Turm. Ein Mann von königlichem Geblüt und der Letzte seiner Art. Es heißt, er sei ein Wunderheiler, wenn man ihn denn ausfindig macht. Gute Frau, wie kann ich dir entgelten, dass du mich vor dem sicheren Tod bewahrt hast?«
    Noch ehe Ulrika antworten konnte –
ein Mann von königlichem Geblüt und der Letzte seiner Art
, ging es ihr im Kopf herum
 
–, kam dem Perser eine Idee. Er streifte sich eine lederne Schnur über den Kopf und hielt sie samt dem Anhänger, der daran befestigt war, Ulrika hin. »Dies ist die Kralle eines heiligen Greifs, einem Tier aus uralter Zeit, dessen Geist dich vor Unbill bewahren soll.«
    Ulrika nahm den Talisman, der aussah wie die Kralle eines Raben, dankend entgegen. Sie wollte ihn in ihrem Medizinkasten aufbewahren, zusammen mit den anderen Amuletten und Glücksbringern, die sie in Anerkennung ihrer Leistung von anderen Patienten erhalten hatte. »Das ist sehr freundlich von dir«, sagte sie. »Aber eigentlich suche ich eine Unterkunft für heute Nacht. Wenn du mir dabei behilflich sein könntest …«
    »Sprich nicht weiter! Mein Haus ist zwar das bescheidenste im Dorf, wie dir jeder bestätigen wird, aber betrachte es als
deins
, gute Frau! Ich werde mich sofort zu meiner Frau aufmachen, mögen die Götter ihren Leib segnen!, und ihr sagen, dass uns heute Abend ein hochgeschätzter Gast die Ehre gibt! Jeder hier kann dir den Weg zu Koozogs Haus erklären: Du folgst einfach dem Weg, und sobald du zum Pferch mit den gefleckten Schweinen kommst, wird dir ein Empfang bereitet, der einer Königin würdig ist.«
    Drei weitere Gäste wandten sich jetzt an Ulrika und erbaten die Behandlung eines Geschwürs, eines Abszesses an einem Zahn, die Befreiung von

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