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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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retten, musste ich unbedingt Hilfe holen.« Er schaute Ulrika an. »Ich habe dich im Dorf gesehen. Ich habe gesehen, wie du die Verletzung eines Mannes behandelt hast. Und ich kenne die Bedeutung dieser Zeichen.« Er deutete auf die an ihrem Arzneikasten seitlich angebrachten ägyptischen Hieroglyphen und die babylonische Keilschrift.
    »Lass sie nicht sterben, hörst du? Du darfst sie nicht sterben lassen.«
    Ulrika wurde von Augen beschworen, die schwärzer zu sein schienen als die Nacht und erfüllt von unausgesprochenen Gefühlen. Es berührte sie, dass ihr junger Entführer verzweifelt war, auf der Flucht, verängstigt und wütend und möglicherweise keineswegs so gefährlich wie anfänglich befürchtet.
    Und obendrein, fand sie, sah er wirklich gut aus. Wenn er sich irgendwann mal ein Lächeln abringen konnte, würde er mit seinen sinnlichen Lippen jedes Frauenherz zum Schmelzen bringen.
    Ulrika zog sich ihren Arzneikasten heran. »Ich werde mich bei der Heilbehandlung nach Hekate richten. Sie empfiehlt einen Trank aus Weidenborke, der ein mächtiger Geist innewohnt.«
    »Bist du ein Medicus?«
    »Nein. Aber meine Mutter ist eine Heilkundige. Sie hat mich gelehrt, Krankheiten zu behandeln.«
    »Du stammst nicht hier aus Persien. Dies ist nicht dein Zuhause.«
    Sie hielt den Blick auf ihre Hände gerichtet, schüttete geschäftig Puder in einen Becher, fügte Wasser hinzu. Ihr Entführer hockte unangenehm dicht neben ihr. Sie konnte seinen Schweiß riechen und den Geruch von Tierhäuten, Kiefern und Lehmboden. »Ich bin hier, weil ich jemanden suche.«
    Ohne ihn anzuschauen, ahnte sie seine Frage.
    »Ich suche Antworten auf ein persönliches Problem«, fügte sie hinzu und rührte in dem Becher herum, damit sich das Pulver auflöste. »Und ich glaube, ein gewisser Magus kann mir weiterhelfen.«
    Als er schwieg, fragte Ulrika, weil ihr auffiel, dass beide dieselbe ungewöhnliche blasse Haut und rabenschwarzes Haar hatten: »Ist dieses Mädchen deine Schwester? Oder deine Nichte?« Vater und Tochter konnten sie jedenfalls nicht sein. Das Mädchen war um die dreizehn und der junge Mann knapp älter als Ulrika.
    »Sie ist aus einem anderen Stamm«, sagte er. Dennoch hätte Ulrika schwören können, dass beide auf dieselben persisch-griechischen Vorfahren zurückblicken.
    Unvermittelt stand er auf und begab sich zum Eingang der Hütte im Dickicht. »Ich werde Wache halten«, sagte er. Dann löste er das Horn aus Elfenbein von seinem Gürtel und legte es dem Mädchen auf die Brust: »Der Gott meines Volkes ist Ahura Mazda, der Herr der Weisheit, und hier drin befindet sich geheiligte Asche von seinem ersten Feuertempel. Sie ist weiß und rein und bewahrt vor Unheil.« Sein nachtschwarzes Haar streifte das Rankengewirr, das das Dach der Hütte bildete. »Ihr Name ist Veeda.« Damit ging er.
     
    Bis der Fremde wiederkam, hatte Ulrika dem Mädchen erfolgreich mehrmals einen Schluck vom Trank der Hekate eingeflößt. Dieses Gebräu war bekannt dafür, Fieber und Schmerzen zu lindern und die bösen Geister des Wundbrandes zu bannen. Außerdem hatte Ulrika das Bein des Mädchens versorgt, hatte das tote Fleisch um die Wunde herum entfernt, hatte sie gereinigt, Salbe aufgetragen und verbunden. Wie sich der Heilprozess vollzog, verstand sie zwar nicht so recht – selbst die bedeutendsten griechischen Ärzte wussten dies nicht zu erklären. Da aber die Methode, nach der sie sich gerichtet hatte, altbewährt war, glaubte sie fest daran, dass sie auch diesmal erfolgreich sein würde.
    »Wie geht es ihr?«, fragte der Fremde, als er sich hinzugesellte.
    »Du hast mich noch rechtzeitig hergebracht.«
    Er nickte. »Darum habe ich gebetet.«
    Ulrika hatte das Horn aus Elfenbein auf der Brust des Mädchens unberührt gelassen, auch wenn sie sich fragte, was für Asche darin aufbewahrt sein mochte. Sie dachte an das Häufchen Kienspäne, die der junge Mann aufgeschichtet, aber nicht entzündet hatte, und wie er sich dafür entschuldigt hatte. »Ich kann unmöglich Feuer machen«, sagte er jetzt leise, und wieder schienen die Worte nicht an Ulrika gerichtet zu sein. Mit wem sprach er dann? »Es würde unsere Verfolger anlocken. Ich muss wieder weiter. Ich muss überleben, damit das Mädchen überlebt.« Er hatte den Blick auf Veedas Gesicht geheftet, und einmal mehr fragte sich Ulrika, in welcher Beziehung die beiden zueinander standen.
    Veeda gehört einem anderen Stamm an, hatte er gesagt. War sie seine Braut?
    »Ich werde etwas

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