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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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denn ich muss noch weiter. Nach dem Unfall in der Mine gestern bin ich der Instandhaltung der Mauer zugeteilt worden.«
    »Ja«, erwiderte Madelin. Lucas’ Berührung hatte ihr Herz schneller schlagen lassen. »Ich danke dir.«
    Er lächelte sie an. »Nicht nötig.« Damit ging er zum Karren, und Madelin wandte sich den Pferden zu.

    Es dauerte jedoch gar nicht lange, bis der Student wieder zu ihr heraustrat. »Er schläft. Ich wollte ihn nicht wecken«, sagte er. »Franziskus sieht sehr entkräftet aus. Sieh zu, dass er etwas isst und sich schont.«
    »Mach ich«, sagte Madelin. Dann kräuselte sie besorgt die Stirn. »Ist’s gefährlich, da wo du arbeitest?«
    »Es ist die Südmauer. Aber ich hoff’ es wird alles gutgehen.«
    Die junge Frau sah ihm an, dass er selbst besorgt war. Schnell gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. »Pass auf dich auf, bitte schön.«
    Ein Lächeln ließ sein Gesicht aufleuchten. »Ich - versprochen. Aber jetzt … ich muss gehen, leider. Bis bald?«
    »Bis bald«, erwiderte Madelin. Dann sah sie ihm nach, wie er mit beschwingtem Schritt den Kienmarkt gen Süden ging. Sie schlug mit der Hand ein Kreuz vor der Brust und wünschte sich, dass ihm dort nichts widerfahren möge. Lucas musste zu ihr zurückkehren.
    Als wenig später ein Klopfen vom Karren erklang, wandte sie sich um. Sie erschrak, denn direkt vor ihr stand ein Mann. Das Gesicht war fast vollständig von der Kapuze eines langen Umhangs verborgen. Darunter schauten schlohweiße Haare hervor, die leicht gebeugte Gestalt wirkte dürr unter dem grauen Stoff. An den Händen trug der Mann lederne Handschuhe. Madelin stellten sich die Haare im Nacken auf. Wie war er hinter sie getreten, ohne dass sie es bemerkt hatte?
    »Bist du Madelin?«, fragte er jetzt mit heiserer Stimme. Sie klang halb wie ein Flüstern, halb wie ein Pfeifen. Er roch merkwürdig, fand Madelin. Irgendwie … süßlich.
    »Die bin ich.« Sie versuchte, unter der Kapuze ein Gesicht zu erspähen, doch sie sah nur ein spitzes Kinn mit unregelmäßig gewachsenem weißem Bart.

    »Ich habe gehört, dass du mit den Karten die Zukunft vorhersagst. Stimmt das?«
    Madelin zögerte. »Ich deute mit den Karten das Schicksal eines Menschen, ja. Willst’ meine Dienste in Anspruch nehmen?«
    »Nein«, sagte die heisere Stimme. »Ich werde deine Karten kaufen.«
    Verdutzt blickte Madelin den Alten an. »Du willst was ?«
    »Ich werde deine Karten kaufen«, wiederholte der Alte geduldig.
    Unwillkürlich sah sie in die Richtung, in der Lucas eben verschwunden war, doch er war längst nicht mehr zu sehen. Sie war allein mit dem Mann. » Meine Karten? Warum?«
    »Das ist nicht wichtig.«
    »Sie sind nicht verkäuflich«, erwiderte Madelin. »Es handelt sich um ein Erbstück.«
    »Ich biete dir zehn Pfund Pfennige dafür«, sagte der Mann. »Das sollte dich für den Schmerz entschädigen, oder?«
    Zehn Pfund Pfennige! So viel verdiente Madelin nicht in einem Jahr! Damit könnte sie drei Ärzte für Franziskus bezahlen sowie sicherlich auch die gesamte Medizin, wenn er denn welche brauchen würde … Sie versuchte, ihr Erstaunen zu verbergen. Doch der Mann vor ihr nickte zufrieden. »Wir sind uns also einig, ja?« Er griff mit der behandschuhten Rechten nach ihrer Gürteltasche, als wäre der Handel beschlossene Sache. Woher wusste er, dass sie die Karten genau dort aufbewahrte?
    »Nein«, stieß Madelin hervor und wich zurück.
    »Nein?«, fragte der Mann verärgert. »Dann fünfzehn Pfund Pfennige.«
    »Nein!«, wiederholte sie. Sie konnte selbst kaum glauben, dass sie eine solche Summe ausschlug. Doch eine schlimme Ahnung ließ sie auf der Hut sein. Wenn jemand einen solchen
Reichtum für ein Kartenspiel bot, stimmte etwas nicht. »Ich sagte doch - sie stehen nicht zum Verkauf.«
    »Ich werde deine Karten kaufen«, sagte der Mann zum dritten Mal. Dann griff er sie am Arm und zog sie mit erstaunlicher Kraft hinter den Karren. »Du hast noch die Wahl, ob du dafür Geld erhältst oder …«
    »Oder was?«, fragte Madelin atemlos und wand sich in seinem Griff. »Bitte, lasst mich los!«
    »Willst’ um Hilfe schreien? Eine Unehrliche?«, fragte der Mann heiser. »Glaubst’, es kommt jemand?«
    Madelin versuchte, sich loszureißen, doch die Hand an ihrem Oberarm hielt sie eisern fest. »Lasst mich!«, rief sie erneut. Warum war Lucas bloß schon gegangen?
    Der Alte sparte sich eine Antwort und zog ein Messer. Madelin schrie. Sie wand sich, stemmte sich gegen ihn und versuchte, ihn

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