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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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tippte auf die Karte der Hohepriesterin.
    »Und das hier könnte ein Tor sein.« Franziskus deutete auf die Karte der Liebenden. »Da hat jemand ein Trionfi-Spiel mit Wiener Motiven angefertigt. Vielleicht ist das nur ein sentimentales Andenken.«
    »Vielleicht aber auch nicht, Franzl.«
    Madelin wartete ungeduldig, während der Ikonenmaler auch andere Karten untersuchte. Schließlich holte er eine Lupe unter dem Kaufmannsgewand hervor, die ihm an einem Lederband um den Hals hing. Dies war Franziskus’ größter Schatz, der noch aus seinem heimatlichen Kloster stammte.
    »Da sind Zahlen und Linien drauf«, murmelte er.
    »Und genau das ist der Unterschied zu meinen alten Karten«,
sagte die Wahrsagerin. »Die Karten werden gedruckt, oder? Das heißt, eigentlich müssten alle Stöße einander gleichen.«
    »Nur wenn sie wirklich aus demselben Druckstock stammen«, sagte Franziskus. »Und selbst dann können sie Walz-oder Schmierfehler aufweisen, die sie deutlich voneinander unterscheiden.« Der Freund runzelte die Stirn, während er eine weitere Karte in Augenschein nahm. »Meisterhafte Arbeit«, begann er dann. »Jemand hat die Zahlen und Zeichen so gut in die Karten integriert, dass sie aussehen, als seien sie ein Teil des Drucks.«
    »Aber das sind sie nicht, oder?«
    »Nein«, bestätigte Franziskus. »Sie sind mit Gallustinte nachträglich angebracht. Die Tinte wirkt dünner als die Farbe des ursprünglichen Drucks, sie zieht stärker in das Papier, siehst du?« Er deutete auf winzige Krähenfüße, die die Farbe ins Papier gezogen hatte. »Das zeigt auf, dass Tinte und Papier nicht gut aufeinander abgestimmt sind. Die Tinte ist zu wässerig. Ganz im Gegensatz zu dem restlichen Druck.«
    »Und was haben die Zeichen zu bedeuten?«, fragte Madelin besorgt.
    »Ich bin nicht sicher«, bekannte Franziskus. »Ich habe den Eindruck, dass es Maße sind. Angaben in Schritt, manchmal auch in Fuß. In jedem Fall handelt es sich um einen großen Maßstab.«
    »Worum handelt es sich?«, fragte Madelin atemlos.
    »Ich weiß es nicht. Ich müsste mich besser in die Geometrie einlesen. Mein Unterricht liegt eine Weile zurück.« Er lächelte entschuldigend.
    Die Wirtin brachte die Bestellungen herbei, und Madelin räumte die Karten schnell vom Tisch. »Was habt ihr da?«, fragte jemand. Madelin sah auf - Scheck, Erisbert und Miro standen neben dem Tisch. »Da seid’s ja!«, sagte sie erleichtert,
sprang auf und umarmte die Freunde nacheinander. »Das ging aber schnell!«
    »Wir waren gerade auf dem Weg zu den Karren, da sah Scheck dein Tuch an der Tür«, führte Erisbert aus. »Er sagte, du würdest den kostbaren Stoff niemals freiwillig so öffentlich herumhängen lassen. Du kannst froh sein, dass ihn niemand gestohlen hat, Mädchen.« Er reichte ihr das Tuch zurück. »Wie gut, dass wir diesen Ort vereinbart haben.« Die Wahrsagerin betrachtete ihr Tuch mit Bedauern - das Loch darin war so groß wie ihre Fingerkuppe.
    Franziskus verzog das Gesicht zu einem spöttischen Lächeln. »Hätten wir geahnt, dass die Mägde hier so langsam sind, wären wir woanders hingegangen.«
    »Wenn du herumscherzt, heißt das wohl, dass es dir bessergeht, was?«, fragte Madelin vorsichtig.
    Scheck schlug ihm auf die Schulter. »Ach, du weißt doch - Franzl hier wird selbst dem Ackermann noch ein Sprüchlein entgegenwerfen!«
    Franziskus zuckte zusammen. »Ist die Frage, ob er darüber lachen wird«, murmelte er. »Kann Gevatter Tod überhaupt lachen?«
    »Red nicht so, Franzl. Du bist noch nicht tot.«
    »Nein«, erwiderte er gedämpft. »Noch nicht.«
    Besorgt stellte Madelin fest, dass seine Augen leer und mutlos wirkten. Fast wünschte sie sich die Wut zurück, die heute Morgen noch darin gestanden hatte. Mit einem tapferen Lächeln knuffte sie ihn mit der Faust in die Schulter. »Wirst’ auch so schnell nicht sein, mein Lieber.« Doch er antwortete nicht.
    »Nun erzählt schon«, bat Scheck. »Warum die Warnung?«
    »Ist euch jemand gefolgt?«, fragte Madelin.
    »Na«, sagte Miro. »Warum?« Er ließ sich auf einen Schemel fallen und machte sich über Madelins Eintopf her. Sie ließ ihn
gewähren. Auch die anderen setzten sich an den Tisch und bestellten mehr Speisen. Sie hatte mit den Karten ausreichend Geld verdient, so dass sich alle ordentlich satt essen konnten.
    »Jemand hat versucht, Madelin abzustechen«, eröffnete Franziskus. Die Empörung unter den Freunden war groß, und die junge Frau sah sich genötigt, die ganze Geschichte

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