Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
die Körper der Toten und Verwundeten hinüber hatten sich fieberhafte, laute Diskussionen entsponnen. Anstatt der Kugeln wechselte man spitze Worte, messerscharfe Reden, die sich manchmal zu ruhigen Beweisführungen herabmäßigten, aber manchmal auch in Beschimpfungen ausarteten.
Alles schwieg, als der Kawdjer den Lichtkreis betrat. Ohne sich um seine Umgebung zu bekümmern, ging er geradewegs zu den Verwundeten hin und untersuchte den ersten, es war ein Toter. Dann trat er zum zweiten, bis zum letzten, öffnete die Kleidungsstücke der Verwundeten und verband ihre Wunden vorläufig nur flüchtig. Sirdey hatte die Wahrheit gesprochen, es waren drei Tote und vier Verwundete.
Als seine Arbeit getan war, schaute der Kawdjer um sich und konnte sich trotz seiner großen Herzenstrauer eines Lächelns nicht erwehren, als er sich von vielleicht tausend Gesichtern umgeben sah, welche ihn mit kindlicher und doch ehrfurchtsvoller Neugierde betrachteten. Die Fackelträger hatten sich genähert, um ihm zu seiner Untersuchung zu leuchten, die drei Gruppen hatten das Vorwärtsstreben nachgeahmt und sich in eine verschmolzen, deren Mittelpunkt er bildete; es herrschte vollständiges Schweigen.
Der Kawdjer bat um Unterstützung. Niemand rührte sich. Da rief er diejenigen, welche er als Helfer wünschte, bei ihren Namen auf. Das hatte Erfolg. Der gerufene Emigrant verließ seinen Platz beim Aufruf seines Namens und paßte sich aufmerksam den Instruktionen an, die ihm der Kawdjer gab.
In wenigen Augenblicken waren Tote und Verwundete aufgehoben und in ihre verschiedenen Wohnungen getragen, in Begleitung des Kawdjer, dessen Aufgabe noch nicht gelöst war. Er mußte noch der Reihe nach die vier Verwundeten aufsuchen, die Extraktion der Projektile vornehmen und den bleibenden Verband anlegen, ehe er nach Neudorf zurückkehren konnte.
Während er diese Samariterdienste leistete, erkundigte er sich um die Ursache des stattgehabten Kampfes. Jetzt erst lernte er die neuerliche Agitation Doricks, die feindselige Stimmung der Bevölkerung gegen Beauval kennen und das Ableitungsmittel, das dieser erfunden hatte, indem er den Plünderungszug auf der Insel anriet. Die traurigen Folgen dieses Raubversuches hatte er ja soeben vor Augen.
Sie konnten gar nicht trauriger sein! Die Raubritter waren von den vier hinter ihren Palisaden wohlverwahrten Familien mit Flintenschüssen empfangen worden, mußten die Flucht ergreifen und brachten als alleinige Beute ihre getöteten und verwundeten Kameraden heim.
Siegesfreudig waren sie ausgezogen, lärmend, sich gegenseitig begeisternd, von wilder Zerstörungsfreude wie berauscht, begleitet von ermunternden Zurufen, rohen Scherzen, Verwünschungen und Drohungen gegen diejenigen, die man plündern wollte. – Kopfhängerisch, beschämt waren sie heimgekehrt, stumm, verbittert und finster; sie hatten sich bei dem Abenteuer keine Lorbeeren erworben.
»Und noch dies,« fügte Harry Rhodes hinzu… (S. 263.)
Die wilde Erregung bei der Abreise hatte leise grollender Wut Platz gemacht, die nur auf einen Vorwand wartete, um sich Luft zu verschaffen.
Sie fühlten sich als Betrogene! Wer hatte sie getäuscht? – Sie wußten es nicht zu sagen. Jedenfalls schrieben sie nicht der eigenen Dummheit, ihren Illusionen die Schuld zu. Wie es schon so Brauch ist in der Welt, waren sie bereit, eher die ganze Welt anzuklagen, als einzusehen, daß sie allein die Schuldtragenden waren.
Sie kannten nach oft wiederholten Erfahrungen das Gefühl der Bitterkeit und Schande, das jedes Mißlingen eines Gewaltstreiches mit sich zu bringen pflegt.
Ehe sie auf die Insel Hoste geworfen wurden, hatten sie dem Proletariat der beiden Welten angehört und mehr als einmal hatten sie sich von zündenden Worten irgendeines volkstümlichen Redners betören lassen. Sie hatten sich an so manchem Streik beteiligt; die ersten Tage, so lange die Börsen noch gefüllt waren, war ihr Benehmen ein würdiges, ruhiges gewesen; aber der drohende Mangel zeitigt Ungeduld und fieberhafte Erregung, und wenn dann die Kinder vor den leeren Schüsseln sitzen und weinen, dann stellt sich die sinnlose Wut ein! Dann sieht man Blut, dann sammeln sich Banden, die Raub und Mord nicht scheuen… Manchmal bleiben sie Sieger, aber selten: meistens ziehen sie den Kürzeren, das heißt, sie verschlechtern nur ihre Lage, und wie niederdrückend war dann das Bewußtsein ihrer Schwäche, das ihnen nach jedem Scheitern eines Planes deutlich vor Augen trat,
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