Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
aufregende Ansprache; dann erst zog man weiter.
Bei den offenen Gräbern nahm Dorick abermals das Wort und verdammte, zum hundertsten Male vielleicht, die schlechte Verwaltung der Kolonie. Nach ihm war in der Unvorsichtigkeit, Unfähigkeit, in den den Rückschritt erzielenden Maßnahmen des ersten Beamten der Grund für alle Unglücksfälle zu suchen, die die Kolonie betroffen hatten. Jetzt war der Moment gekommen, diese Strohpuppe abzusetzen und ein neues, tatkräftiges Staatsoberhaupt an seiner Stelle zu erwählen.
Dorick hatte einen fabelhaften Erfolg. Er wurde lebhaft akklamiert, von allen Seiten brüllte man Beifall. Erst wurden Rufe: »Hoch Dorick!« laut, dann heulte die Menge: »Zum Palast!… zum Palast!«… und die hundert Männer setzten sich in Bewegung und der Boden erzitterte von ihren schweren Tritten. Sie waren jetzt genügend erhitzt, ihre Augen glänzten, ihre geballten Fäuste hoben sich drohend gen Himmel. Ihr Mund stand infolge der kontinuierlichen, haßerfüllten Ausrufe offen und war wie ein schwarzes Loch in den erregten Gesichtern zu sehen.
Bald beschleunigten sie die Schritte, eilten und rannten schließlich unter gegenseitigen Püffen und Stößen vorwärts, bis sie schließlich wie ein Wildbach einherstürzten.
Ein Hindernis hemmte ihren Lauf. Diejenigen, welche an den Machtbefugnissen teilnehmen durften, befürchteten einen Wechsel in der Regierung zu ihren Ungunsten und nahmen Partei für Beauval. Brust an Brust, Faust gegen Faust – so standen sich die beiden Parteien gegenüber und es fielen die ersten Schläge.
Aber die Partei Beauvals, die bedeutend schwächer war als die andere, mußte weichen. Schritt für Schritt, Meter für Meter wurde sie zurückgedrängt, bis sie dicht vor dem Regierungspalast standen. Auf dem Platze wurde der Kampf wieder aufgenommen. Lange blieb er unentschieden. Von Zeit zu Zeit zog sich ein kampfuntauglich gewordener Emigrant zurück und ließ sich erschöpft in irgendeinen Winkel fallen. Kiefer wurden zermalmt, Rippen eingedrückt und Beine gebrochen.
Je länger das Handgemenge dauerte, desto größer wurde die Aufregung. Es kam der Moment, wo die Messer aus den Scheiden gerissen wurden – und wieder floß Blut.
Nach einem heroischen Widerstand waren die Verteidiger Beauvals besiegt und die Angreifer, welche sich freie Bahn gebrochen hatten, stürzten in hastiger Unordnung in das Innere des Palastes. Mit wildem Triumphgeheul durchsuchten sie es von oben bis unten. Wenn sie Beauval gefunden hätten, wäre er sicher in Stücke zerrissen worden; zum Glück war er unmöglich zu entdecken, Beauval war verschwunden.
Als er sah, welche Wendung der Kampf nahm, hatte er alles im Stiche gelassen und war gerade rechtzeitig entwichen. Jetzt floh er, so schnell ihn seine Beine trugen, in der Richtung nach Neudorf.
Die Vergeblichkeit ihres Suchens steigerte die Wut der Sieger zum höchsten Paroxysmus. Es gehört mit zur Natur der Menge, sowohl im Guten wie im Bösen jedes Maß zu vergessen.
Das lebende Opfer war ihnen entschlüpft, jetzt rächten sie sich an den leblosen Dingen. Das Haus Beauvals wurde gänzlich geplündert; seine wenigen Möbelstücke, seine Papiere, seine sonstige armselige Habe, alles wurde aus den Fenstern geworfen und in einem Haufen gesammelt, den man dann anzündete. Wenige Minuten später – geschah es aus Achtlosigkeit, war es das Werk eines der Meuterer gewesen – stand der Palast selbst in Flammen.
Der Rauch verscheuchte die Eindringlinge; sie stürzten hinaus, aber das waren keine Menschen mehr! Das Geschrei, das Plündern, das Morden hatte ihnen den klaren Verstand benommen, sie waren wie berauscht, hatten weder Gedanken noch ein Ziel vor Augen. Nur ein unwiderstehlicher Drang zu schlagen, zu vernichten, zu morden beseelte sie.
Auf dem Platze standen die Frauen, die Kinder und die Gleichgültigen, die Maulaffen feilhielten, eine feile Menschengruppe ohne jegliches Ehrgefühl, die sich alles gefallen ließ. Sie formten die große Masse des Volkes, waren aber, trotz ihrer Anzahl, zu friedliebend, um jemals gefährlich zu werden. Der Anhang Lewis Doricks, welcher sich bedeutend verstärkt hatte durch das Zuströmen ehemaliger Gegner, welche es für vorteilhaft hielten, sich dem Stärkeren zuzugesellen, stürzte sich mit Faß- und Fauststößen auf diese unschädliche Gruppe.
Die Folge war eine wilde Flucht. Männer, Frauen und Kinder verstreuten sich über die Ebene, von einer Anzahl Emigranten verfolgt, welche sehr erstaunt
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