Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
doch Zeit, unsere Sachen zusammenzupacken, denn ich vermute, es wird uns doch hoffentlich gestattet sein, mitzunehmen, was…
– Gar nichts werden Sie mitnehmen, unterbrach ihn der Kawdjer. Ich haste dafür, daß Ihnen Ihre persönliche Habe zugestellt wird; alles übrige gehört der Kolonie.«
Das war zu viel! In seiner Wut vergaß Dorick alle Vorsicht.
»Das wollen wir denn doch sehen! rief er und fuhr mit der Hand an den Gürtel.
Das Messer war noch nicht vollständig seiner Scheide entfahren, als es ihm auch schon entrissen wurde. Jetzt stürzten die Brüder Moore zur Verteidigung Doricks herbei. Der Kawdjer packte den größeren an der Kehle und schleuderte ihn zu Boden. Im selben Augenblick drang die Eskorte des neuen Gouverneurs in das Haus ein. Es bedurfte ihres Dazwischentretens nicht. Die fünf Emigranten hatten vor dem neuen Oberhaupt Respekt bekommen und gingen hinaus, ohne an weiteren Widerstand zu denken.
Der Lärm des Wortgefechtes hatte natürlich eine Anzahl Neugieriger herbeigelockt. Man umdrängte die Tür und die fünf Besiegten mußten sich erst ihren Weg durch diese Ansammlung von Menschen bahnen, denen sie früher ein Gegenstand des Schreckens gewesen waren.
Der Wind blies jetzt aus einer anderen Richtung!
Man überhäufte sie mit Schmähworten.
Unter Zuhilfenahme seiner Gefährten schritt der Kawdjer zur genauen Durchsuchung des Hauses, von dem er im Namen der Kolonie Besitz ergriffen hatte. Alles, was Anspruch hatte, unter die persönliche Habe der früheren Besitzer gerechnet zu werden, wurde – wie es der Kawdjer versprochen – beiseite gelegt, um später seinen Eigentümern zugestellt zu werden. Aber außer diesen Dingen machte er interessante Entdeckungen. Der eine, nach rückwärts gelegene Raum war in eine Speisekammer verwandelt worden. Ein bedeutender Vorrat von Nahrungsmitteln war da aufgestapelt: Konserven, trockene Gemüse, gedörrtes Fleisch, Tee und Kaffee – die Vorräte waren ebenso reichlich vorhanden als weise zusammengestellt. Wieso hatten Lewis Dorick und sein Anhang ihrer habhaft werden können? Sicher war, daß sie niemals unter der allgemeinen Not litten, was sie übrigens durchaus nicht gehindert hatte, sich mehr zu beklagen als alle anderen und die Urheber jener Mißstände zu werden, die das Scheitern von Beauvals Macht zur Folge hatten.
Der Kawdjer ließ die gefundenen Lebensmittel auf den Platz schaffen, wo sie unter dem Schutz der Gewehre niedergelegt wurden, dann begannen zu dem Zwecke gewählte Arbeiter unter Führung des Werkmeisters Lawson, seines Zeichens ein Schlosser, das Haus niederzureißen.
Während diese Arbeiten rasch vorwärtsschritten, vollzog der Kawdjer – stets in Begleitung einer kleinen Eskorte – eine genaue Durchsuchung sämtlicher Wohnungen, der Häuser und der Zelte, des Lagers und unterbrach diese Beschäftigung erst dann, als auch die letzte Behausung bis zum letzten Winkel durchstöbert worden war. Das Ergebnis dieser Hausdurchsuchungen, die den größten Teil des Tages ausfüllten, setzte alle in Staunen: es fanden sich ungeahnte Reichtümer.
Bei allen Emigranten, welche mit Lewis Dorick und Ferdinand Beauval in mehr oder minder friedlichen Beziehungen standen, und auch bei einigen anderen, welche in Zeiten relativen Überflusses für die Tage der Not gespart hatten, entdeckte man geheime Aufbewahrungsorte, ähnlich dem im Hause Doricks vorgefundenen.
Um jeden Verdacht abzulenken, hatten die Besitzer dieser Schätze sich zu den ärgsten Schreiern gesellt, als die Hungersnot ausgebrochen war Der Kawdjer erkannte mehr als einen unter ihnen, welcher ihn um Hilfe angefleht und ohne alle Gewissensbisse die Nahrungsmittel angenommen hatte, die aus den Vorräten der Bewohner Neudorfs stammten. Als sie sich jetzt entdeckt sahen, schienen sie sehr beschämt, obwohl der Kawdjer durch keine Miene die Gefühle verriet, die die Anwendung ihrer List in ihm wecken mußte.
Man konnte damit die ganze Kolonie während einer Woche ernähren. (S. 284.)
Und doch öffnete ihm diese Entdeckung neue Ausblicke auf die unerbittlichen Gesetze, die die Welt regieren. Indem sie ihr Ohr den Schmerzensrufen verschlossen, die der Hunger ihren Unglücksgefährten entriß, indem sie, falsch und berechnend, gemeinsam mit den anderen auch ihr Jammergeschrei ertönen ließen, nur um nicht zu einer Teilung des Brotes gezwungen zu werden, das sie für sich allein aufgehoben hatten, bewiesen diese Menschen wieder einmal klar und deutlich, daß der
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