Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
hinüber und suchte seine Nachtruhe auf dem Platze unter freiem Himmel.
Er gab beim ersten Morgengrauen selbst das Zeichen zum Erwachen. Bald waren alle Kolonisten um ihn versammelt.
»Hostelianer, sagte er, während alles schweigend lauschte, heute werden die Lebensmittel zum letzten Male verteilt. Dann müssen sie gekauft werden; die Höhe der Preise werde ich bestimmen, das Geld soll dem Staate zugute kommen. Nachdem alle mit Geld versorgt sind, ist keine Gefahr, daß jemand am Hungertuch nagen muß. Übrigens braucht die Kolonie fleißige Hände: Alle, welche sich melden wollen, werden beschäftigt und bezahlt werden. Von nun an ist die Arbeit ein Gebot!«
Man kann es nicht allen Leuten recht machen und zweifellos mißfiel diese kurze Anrede einigen der Kolonisten gründlich; aber sie elektrisierte buchstäblich die Mehrzahl der Zuhörer. Ihre gesenkten Köpfe hoben sich, sie richteten sich aus ihrer gebeugten Haltung auf, als ob eine Kraft in ihnen lebendig geworden sei! Endlich war es vorbei mit der tötenden Langeweile, der schrecklichen Untätigkeit! Man bedurfte ihrer! Sie sollten nicht mehr ein unnützes Dasein führen, man brauchte sie zur Arbeit; gleichzeitig sicherte man ihnen eine Tätigkeit und das Leben.
Ein gewaltiges, begeistertes »Hurra!« erscholl für den Kawdjer und kräftige Arme streckten sich schaffensfreudig ihm entgegen.
Im selben Augenblick glaubte dieser, wie als Antwort auf das Geschrei der Menge, einen schwachen Ruf aus der Ferne zu vernehmen.
Der Kawdjer wandte sich um und erblickte, weit draußen auf dem Meere, die Wel-kiej mit Karroly am Steuer; Harry Rhodes stand vorne und winkte Abschiedsgrüße mit der Hand, während die Schaluppe in vollem Segelschmuck dahinflog.
Zweites Kapitel.
Die werdende Stadt.
Sogleich ging der Kawdjer an die Verteilung der Beschäftigungen. Alle angebotenen Kräfte wurden verwendet und es hatte sich die Mehrzahl der Kolonisten zur Arbeit gedrängt. Die Leute wurden abteilungsweise unter den Befehl von schnell ernannten Werkmeistern gestellt; die einen begannen den Bau einer Fahrstraße, die Liberia und Neudorf verbinden sollte, die anderen mußten die zerlegbaren Häuser versetzen, die bisher ganz regellos aufgerichtet worden waren; setzt wurden sie planmäßig verteilt. Der Kawdjer gab selbst die Bauordnung an. Einige wurden in parallelen Reihen, andere gegenüber der einstigen Behausung Doricks errichtet, welche sich ihrerseits an Stelle des ehemaligen »Regierungspalastes« Beauvals erhob.
Eine Schwierigkeit machte sich gleich bemerkbar. Man verfügte nicht über eine genügende Menge von Werkzeugen. Die Emigranten, welche aus dem einen oder anderen Grunde ihre Unternehmungen im Inneren der Insel im Stiche gelassen, hatten nicht daran gedacht, ihr Handwerkzeug mitzunehmen. Sie mußten es nun holen gehen, und so bestand die erste Arbeit dieser Kolonisten darin, sich die Mittel zur Arbeit zu verschaffen.
Sie mußten nochmals den Weg wandern, den sie im Winter unter so großen Schwierigkeiten zurückgelegt hatten, als sie nach Liberia flüchteten. Aber die Umstände hatten sich geändert; jetzt schien er ihnen so viel leichter. Der Frühling war auf den Winter gefolgt, es herrschte kein Mangel an Nahrungsmitteln, und die Gewißheit, nach ihrer Rückkehr ihr Leben verdienen zu können, erfüllte sie mit großer Freudigkeit. Nach zehn Tagen war auch der letzte schon zurückgekehrt.
Die mit den Wegbauten beschäftigten Arbeiter hatten schon sehr viel geleistet. Die Straße wuchs zusehends Die Häuser standen in freundlichen harmonischen Gruppen da. Jedes war von einem großen, freien Raum umgeben, in dem später ein Garten angelegt werden sollte. Jedes Haus war von dem anderen durch eine breite Straße getrennt, das der Ansiedlung eher das Aussehen einer Stadt als eines provisorischen Lagers verlieh. Gleichzeitig schaffte man die Trümmer lind den Schmutz beiseite, den die frühere Nachlässigkeit der Bewohner hatte anhäufen lassen.
Nachdem das einstige Haus Doricks zuerst in Angriff genommen worden war, ging es auch als erstes seiner Vollendung entgegen und war schon bald bewohnbar. Es war kein sehr zeitraubendes Geschäft gewesen, diesen leichten Bau niederzureißen und an einer anderen Stelle wieder aufzurichten, trotzdem er bedeutend vergrößert worden war. Ganz fertig war er noch nicht, aber seine Mauern standen schon, auch das Dach war aufgesetzt, desgleichen war man schon mit den inneren Teilwänden fertig. Um das Haus zu beziehen,
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