Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
sprechen. Jedes ihrer Worte konnte er verstehen. Mehr als je war letzt die äußerste Vorsicht am Platze.
Kennedy hob eines der Fäßchen empor, setzte es aber sogleich wieder nieder; – es war viel zu schwer, als daß es ein einzelner Mann, ohne Lärm zu machen, den schwierigen Weg transportieren konnte, der eingeschlagen werden mußte. Er schlich wieder zwischen den Kisten hindurch bis zum Gerichtssaal, steckte den Kopf in das Loch der Wand und rief Dorick, dessen dunkle Silhouette sich in der weniger dunklen Nacht außerhalb des Saales abzeichnete. Dieser näherte sich auf den Ruf des Matrosen.
»Wie lang du brauchst! sagte er leise, als er sich zu der Öffnung beugte. Was ist dir denn geschehen?
– Nichts, antwortete Kennedy, ebenso vorsichtig; es ist eben nicht leicht, in diesem Fahrwasser zu schiffen!
– Hast du das Pulver?
– Nein; die Fässer sind zu schwer… Es muß mir einer helfen… Komm!«
Dorick ließ sich durch die Öffnung gleiten und durcheilte, von Kennedy geführt, das Depot. Die beiden Männer ergriffen eines der Fässer, hoben es über die verschiedenen Kisten hinweg und brachten es glücklich bis in den Gerichtssaal. Dorick kroch augenblicklich durch das Loch zurück.
»Wohin gehst du? fragte Kennedy mit unterdrückter Stimme.
– Ein zweites Faß holen, antwortete Dorick. Machen wir schnell, es wird gleich Tag werden.
– Noch ein Faß? fragte Kennedy erstaunt. Mit dem einen können wir ja ganz Liberia in die Luft sprengen!
– Einerlei; wir holen noch eines! bestimmte Dorick.
– Warum denn?
– Das ist meine Sache… Wenn wir uns des Kawdjer entledigt haben werden, wollen wir die Herren spielen… Da kann uns das Pulver gute Dienste leisten!
– Wo willst du es einstweilen verbergen?
– Ich weiß ein gutes Versteck… Kümmere dich nicht weiter darum.«
Kennedy gehorchte nur widerstrebend. Eine Viertelstunde später lag ein zweites Pulverfäßchen neben dem ersten.
Eines wurde schnell an die linke Wand gerückt, dann brachte Kennedy unten eine Öffnung an, aus der eine kleine Pulvermenge herauslief.
Inzwischen hatte Dorick aus seiner Tasche eine aus Baumwollfasern locker geflochtene Schnur herausgezogen. Diese Schnur war früher umsichtigerweise befeuchtet worden; jetzt legte er sie ins Pulver; dann schnitt er ein kleines Stückchen mit dem Messer ab und zündete es versuchsweise an. Das Feuer faßte an, glimmte rasch weiter und erlosch.
»Ausgezeichnet! erklärte Dorick; fünf Zentimeter brennen in der Minute ab. Folglich dauert die ganze Zündschnur zwanzig Minuten; das ist viel mehr, als wir brauchen!«
Er näherte sich dem Pulverfaß…
Im selben Augenblicke ließ sich ein lautes Geräusch hören. Dorick blieb wie angewurzelt stehen und blickte Kennedy an; beide waren leichenblaß geworden…
Aber ihr Schrecken war von kurzer Dauer. Dorick hatte sogleich seine gewohnte Kaltblütigkeit wiedergewonnen und begann zu lachen.
»Es ist nur der Regen,« sagte er, mit den Achseln zuckend.
Er eilte zur Türe und blickte hinaus. Ein heftiger Platzregen ging nieder und der Lärm, der sie erschreckt hatte, ging von den schweren Tropfen aus, die prasselnd auf das Dach aufschlugen. Eigentlich ein günstiger Zwischenfall! Der Regen mußte alle Spuren verwischen und nichts konnte sie verraten, falls sich zufällig der Verdacht auf ihre Personen lenken sollte. Anderseits wurde durch das Rauschen und Prasseln das Knistern der Zündschnur erstickt.
Aber es war jetzt keine Zeit mehr zu verlieren! Schon färbte ein leiser Lichtschimmer den Osten rosig. In wenigen Minuten war es Tag und Dorick kannte die Gewohnheiten des Kawdjer zur Genüge, um zu wissen, daß er sehr bald sein Lager verlassen würde.
»Schnell!« sagte er.
Die Zündschnur wurde aufgerollt, das eine Ende in das Pulverfaß eingeführt, dann entzündete Dorick ein Schwefelholz und näherte es dem anderen Ende. Darauf verließen beide Männer schleunigst das Haus. Kennedy trug das zweite Pulverfaß, Dorick folgte, indem er die Türe des Gerichtssaales so gut als möglich hinter sich schloß.
Die Brüder Moore standen unbeweglich auf ihren Posten.
Dorick rief sie mit einem leisen Pfiff ab und beruhigte sie mit einer Handbewegung über den Erfolg ihres Anschlages.
Nun entfernten sich alle in größter Eile, während auf dem nun wieder menschenleeren Platze ein Gewitter unter heftigen Regengüssen niederging.
Viertes Kapitel.
In den Grotten.
Als der Kawdjer das Regierungsgebäude verließ, war das Gewitter
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