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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Liberia mit Licht versorgen, war ja sehr nützlich und gut, aber die Durchführung dieses Planes kam nur einem ganz kleinen Bruchteil der Menschheit zugute und anderseits bot die Inangriffnahme dieser Arbeiten so geringe Schwierigkeiten, daß man sie als angenehme Zerstreuung auffassen konnte. Nein! Das Werk, das ihm wirkliche Begeisterung einflößte, war allgemeiner und groß angelegt! Es berührte die ganze Menschheit!
    Die erste Idee war ihm beim Schiffbruch des »Jonathan« gekommen. Als die Notschüsse des Fahrzeuges durch die stille Nacht drangen, hatte der Kawdjer, wie man sich erinnert, auf dem höchsten Punkte des Kap Hoorn ein Feuer entzündet. Das war aber nur ein Notbehelf gewesen und nach wie vor war kein Zeichen vorhanden, das den in Gefahr befindlichen Schiffen die Nähe des Landes angezeigt hätte. Der Todeskampf des »Jonathan« war nur eine herausgegriffene Szene aus dem ewigen Drama, das sich unaufhörlich in jenen Breiten abspielt. Hunderte von Schiffen müssen bei Sturm und Ungewitter die gefürchteten äußersten Ausläufer Amerikas passieren. Sie sind nicht so glücklich wie der »Jonathan«, dem wenigstens ein Feuerschein geleuchtet hatte, und wie oft bedecken ihre Trümmer die Klippen dieser Inselwelt. Anders wäre es, wenn an jedem Abend nach Sonnenuntergang die Feuer eines Leuchtturmes entzündet würden. Auf diese Weise wären die Fahrzeuge rechtzeitig gewarnt und könnten sich ins freie Meer hinaus retten. Wie viele, viele Schiffskatastrophen würden dann verhindert werden!…
    Seitdem der Kawdjer auf dem Kap Hoorn gestanden, war kein Tag verflossen, an dem ihm nicht dieses herrliche Werk in immer lockenderen Farben erschienen wäre. Er verkannte durchaus nicht die Schwierigkeiten und lange hatte er daran nur gedacht, wie man an ein unausführbares Luftschloß denkt. Jetzt aber verhielt es sich anders. Als Gouverneur eines im schönsten Aufblühen begriffenen Staates stand ihm eine fast unbegrenzte Menge von Arbeitskräften zur Verfügung. Das Luftschloß war nicht mehr unausführbar.
    Auch die Geldfrage, die er früher in Betracht gezogen hatte, spielte jetzt keine Rolle mehr. Dem Kawdjer mußten unversiegbare Geldquellen zur Verfügung stehen, nachdem er dem hostelischen Staate so bedeutende Vorschüsse machen konnte, daß dieser sein Emporblühen allein dieser rechtzeitigen Hilfe verdankte. Lange Zeit hatte er sich dagegen gesträubt, seine Reichtümer anzurühren, deren Existenz er freiwillig vergessen hatte; aber nachdem er sie schon einmal benutzt hatte, war sein Widerstreben nicht mehr stichhaltig. Das Opfer war einmal schon vollbracht; es lag daher gar kein Grund vor, nicht ein zweites Mal auf gleiche Weise zu handeln.
    Der hostelische Staat erfreute sich übrigens eines so bedeutenden Wohlstandes, daß er schon daran denken konnte, mit der Rückzahlung jener Geldbeträge zu beginnen, die ihm sein Schöpfer vorgestreckt hatte. Diese Kapitalien wollte der Kawdjer nicht auf Zins anlegen, wie der nächstbeste kleine Bürger. Wie hätte er, der stets nur Verachtung für Geld und Geldeswert zur Schau getragen, sich zum Ansammeln toter Schätze verstanden! Konnte er einen besseren Gebrauch davon machen, sie nützlicher anlegen, als durch die Ausführung seines großen Projektes: die Erbauung eines Leuchtturmes auf dem Gipfel des verhängnisvollen Vorgebirges, an dessen gefährlichen Klippen so viele Schiffe ihr Verderben gefunden hatten!?
    Aber eine große Schwierigkeit war nicht abzuleugnen! Die Insel Hoste war freies Land, jedoch die Insel Hoorn gehörte zu Chile! Aber vielleicht konnte diese Schwierigkeit umgangen werden! Es war nicht unmöglich, daß Chile einwilligte, seine Rechte auf die Insel Hoorn – einen kahlen Felsen – abzutreten, wenn sich der neue Besitzer verpflichtete, davon den schon erwähnten Gebrauch zum Wohle der Menschheit zu machen. Jedenfalls lohnte es sich der Mühe, den Versuch zu einer Verständigung zu wagen. In der Tat trug das nächste, die Insel Hoste verlassende Schiff eine dieses Thema behandelnde offizielle Anfrage der Regierung des hostelischen Staates an die Republik Chile mit sich fort.
    Während der Kawdjer sich in sein geplantes Werk vertiefte, schwebte das Damoklesschwert noch immer über seinem Haupte; die Gefahren, die er längst vergessen hatte, bedrohten sein Leben noch immer. Die Urheber des Attentates waren nicht entdeckt worden. Ihre verbrecherische Absicht war unbestraft geblieben; immer noch im Besitze des Pulverfasses, das in ihren

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