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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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bereits vorübergegangen. Heiter hatte sich die Sonne aus den Wassern erhoben und die Wolkenschleier mit ihren siegreichen Strahlen zerrissen.
    Der Kawdjer blickte um sich. Niemand war weit und breit zu sehen. Wie täglich, war er auch heute der erste, welcher sein Lager schon verlassen hatte.
    Langsam und behaglich atmete er die erquickende Morgenluft ein und machte einige Schritte auf den Platz, den das nächtliche Gewitter in ein Kotmeer verwandelt hatte. Da lenkte die offenstehende Tür des Gerichtssaales seine Aufmerksamkeit auf sich. Ohne dieser augenscheinlichen Nachlässigkeit viel Gewicht beizulegen näherte er sich der Türe in der Absicht, sie zu schließen. Nun erst bemerkte er, daß das Schloß erbrochen war, und erst dieser Umstand verwunderte ihn sehr. Was konnte denn ein solcher Gewaltakt bezwecken? Gab es denn jemanden auf der Insel, der so arm war, daß der mehr als einfache Inhalt dieses Raumes seine Begierde wachrufen konnte?
    Der Kawdjer stieß die Türe vollends auf und erblickte gleich von der Schwelle aus das Pulverfaß, nur verstand er nicht sofort den Sachverhalt. Aber eine schnelle Untersuchung hatte ihm bald alles klar gemacht. Das verstreute Schießpulver… die zu zwei Dritteln verkohlte Zündschnur, die am Boden lag… kein Zweifel war da möglich: man hatte ihn und auch das Regierungsgebäude in die Luft sprengen wollen!
    Diese Entdeckung erstarrte ihn förmlich. Es gab also einige unter den Kolonisten, deren Haß so weit ging!… Dann versuchte er ruhig zu überlegen und die Urheber dieses Attentates ausfindig zu machen. Er wollte niemand fälschlich beschuldigen; aber er kannte die Bevölkerung der Insel zu genau, um seine Vermutungen über einen sehr beschränkten Kreis hinaus verirren zu lassen. Sollte es Ferdinand Beauval gewesen sein, trotz seiner neuen Würde?… Vielleicht war auch Lewis Dorick der Urheber dieser finsteren Tat?… Das war schon eher möglich! Jedenfalls war es jemand aus diesem Kreise!
    Der Kawdjer ließ seine Blicke über den Saal schweifen und bemerkte das Loch an der Wand. Der ganze Vorgang war ihm nun klar. Man hatte das Pulverfaß aus dem Depot gestohlen, es an die Stelle gebracht, wo es sich jetzt befand, dann war der Schuldige entflohen, nachdem er die Zündschnur, welche die Explosion des Pulvers herbeiführen sollte, an dem einen Ende in Brand gesteckt hatte… Aber die Hoffnungen der Verbrecher waren getäuscht worden, es war nicht zur Explosion gekommen! Die Zündschnur war erloschen, nachdem sie bis zu zwei Dritteln ihrer Länge verbrannt war. Die Wasserlache, die ihr drittes Drittel bedeckte, hatte sie am Weiterglimmen verhindert.
    Woher kam dieses Wasser? Um es zu erfahren, brauchte der Kawdjer nur den Kopf zu heben. Es war vom Himmel gefallen und durch eine Spalte im Dache und im weiteren Verlaufe durch die ziemlich undichte Zimmerdecke hereingesickert. Zwischen zwei klaffenden Holzstücken waren die Spuren ihres Weges noch zu verfolgen. Von hier war das Wasser langsam abgetropft, bis es die Lache gebildet hatte, die dem Weitergreifen des Feuers ein unüberwindliches Hindernis in den Weg gelegt hatte.
    Den Kawdjer überlief ein kalter Schauer; er dachte nicht allein an sich, sondern an die anderen, die das Regierungsgebäude mitbeherbergte; an Hartlepool, welcher mit den zwei Kindern hier wohnte, und an diejenigen, welche während der letzten Nacht hier zu wachen hatten. Ihr Leben hatte nur an einem schwachen Faden, einem kleinen Zufallsspiel gehangen. Ohne das Gewitter, das in den frühen Morgenstunden tobte, wären letzt alle tot gewesen.
    Nach reiflicher Überlegung schien es dem Kawdjer das Beste, diesen mißglückten Massenmordversuch geheimzuhalten. Es bedurfte nicht dieses Vorfalles, um seine Popularität zu vergrößern, und es war, als letzter Grund, besser, die ahnungslose Bevölkerung nicht in Unruhe zu versetzen.
    Er schloß die Türe hinter sich und weckte Hartlepool, den er in den Gerichtssaal führte und in alles einweihte. Hartlepool war sprachlos vor Schrecken. Ebensowenig wie der Gouverneur war er imstande, die Schuldigen zu nennen, aber auch er zögerte nicht, dieselben Personen zu verdächtigen, die dem Kawdjer als zu jeder Schandtat fähig erschienen.
    Dieser war fest entschlossen, den Vorfall dieser Nacht nicht an die große Glocke zu hängen, so mußte denn das Loch in der Mauer im Geheimen ohne fremde Beihilfe verschlossen werden. Hartlepool ging auf die Suche nach den nötigen Materialien, während der Kawdjer das Faß an

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