Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
Händen eine so schreckliche Drohung bedeutete, lebten sie unerkannt in der Menge der übrigen Kolonisten weiter.
Wenn der Kawdjer, welcher unter dem Vorwand, den Frieden der Bevölkerung von Liberia nicht stören zu wollen, seinen Widerwillen gegen jede polizeiliche Untersuchung, der ihm als Rest seiner alten Freiheitsideen geblieben war, rechtfertigen wollte, gleich anfangs eine sorgfältige Untersuchung angestellt haben würde, hätte er die Schuldigen sicher entdeckt. Das Pulverfaß war gar nicht weit; Dorick und Kennedy hatten es noch am Morgen des Attentates in eine der in der Ostspitze der Insel befindlichen Grotten gebracht, die dem Kawdjer nicht unbekannt sein konnten, nachdem Hartlepool seinerzeit die Gewehre und die Munition dort versteckt hatte.
Es gab drei solcher unterirdischer Grotten, wie vielleicht noch erinnerlich ist: zwei tiefer gelegene, deren eine eine Öffnung nach dem Südabhang hatte und mit der zweiten in Verbindung stand, die des Berges Mitte einnahm; die dritte Grotte lag fast fünfzig Meter höher als die anderen und öffnete sich nach dem Nordabhang der Landspitze; von hier aus konnte man Liberia überblicken. Eine schmale Spalte stellte die Verbindung mit den anderen Grotten her. Trotz der starken Neigung des Bodens konnte man diesen beschwerlichen Durchgang benutzen; ungefähr in der Hälfte wurde der Durchlaß so klein, daß man genötigt war, sich einige Meter kriechend weiter zu bewegen, dabei mußte man aber sorgfältig vermeiden, an einen losen Steinblock anzustreifen, der an dieser Stelle die alleinige Stütze des Gewölbes bildete; kam der Stein beim Passieren der Stelle ins Wanken, so waren die Folgen nicht auszudenken.
In dieser hochgelegenen Grotte hatte Hartlepool die Gewehre verborgen gehalten. Das Pulverfaß war von Dorick und Kennedy in einer der unteren Höhlungen versteckt worden.
Sie hatten es nicht einmal für notwendig erachtet, es in der zweiten niederzulegen, die von der Natur mitten im Felsen ausgehöhlt worden war. Nachdem sie die letztere flüchtig untersucht hatten – dabei war ihnen die Spalte entgangen, die sich nach der höher gelegenen Grotte gegen den Nordabhang hinzog – begnügten sie sich, das unter Laub und Zweigen versteckte Faß in der ersten Grotte zu lassen, in die durch eine hohe, breite Bogenöffnung das Licht in warmen Strömen hereinflutete.
Ihre Überraschung war groß, als sie am Morgen des 27. Februar von dieser unterirdischen Expedition zurückkehrten und das Regierungsgebäude heil und ganz an Ort und Stelle erblickten. Während sie sich aus der Stadt entfernten und ihres Pulverfasses entledigten, und auch dann, als sie sich Liberia wieder näherten, hatten sie von Sekunde zu Sekunde angstvoll auf die Explosion gewartet. Aber – wie man weiß – erfolgte diese nicht und die beiden Missetäter erreichten ihre Wohnung, ohne daß etwas Außergewöhnliches sich ereignet hätte.
Sie konnten es nicht begreifen.
Aber so groß auch ihre Neugierde war, beeilten sich die Schuldigen nicht, sie zu befriedigen. Das Scheitern ihres, Anschlages brachte sie in Gefahr und ihr einziges Bestreben zielte jetzt dahin, unbemerkt zu bleiben. Sie mengten sich daher unter die anderen Arbeiter und befleißigten sich, alles zu vermeiden, was die Aufmerksamkeit auf sie lenken konnte.
Erst im Laufe des Nachmittags wagte es Dorick, am Regierungsgebäude vorbeizugehen. Von weitem warf er einen verstohlenen Blick nach der Türe des Gerichtssaales und sah, daß der Schlosser Lawson im Begriffe stand, das erbrochene Türschloß auszubessern. Lawson schien der Arbeit keine besondere Wichtigkeit beizumessen. Man hatte ihn beauftragt, ein neues Schloß zu verfertigen und er tat es.
Aber die Ruhe Lawsons beruhigte Dorick nicht. Nachdem die Türe repariert wurde, mußte man wissen, daß das Schloß erbrochen worden war. Folglich hatte man auch das Pulverfaß und die Zündschnur entdeckt. Wer hatte diese Entdeckung gemacht? Dorick konnte es natürlich nicht erraten. Aber er zweifelte nicht daran, daß eine so wichtige Sache augenblicklich dem Kawdjer mitgeteilt worden war, und er folgerte daraus, daß nun eine strenge Untersuchung zu erwarten stand, daß eine genauere Überwachung in Szene gesetzt werden würde und sah sich von allen Seiten bedroht.
Ein schärferes Nachsinnen gab ihm seine Kaltblütigkeit wieder. Nichts konnte seine Schuld beweisen. Auch wenn man ihn verdächtigte, verhaften kann man niemand auf eine bloße Verdächtigung hin, und verurteilen noch
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