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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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weniger. Dazu bedarf es unumstößlicher Beweise. Und Beweise konnten gegen ihn nicht erbracht werden, so lange seine Mitschuldigen das Geheimnis hüteten.
    Diese beruhigenden Gedanken hinderten ihn aber nicht, heftig zu erschrecken, als er sich gegen Abend unverhofft dem Kawdjer gegenüber sah, welcher, wie täglich um diese Zeit, den Fortschritt der Hafenarbeiten überwachte. Er hatte sein gewöhnliches Aussehen, niemand konnte aus seinem Wesen erkennen, daß etwas Besonderes vorgefallen sein müsse. Aber für Doricks Empfindung war diese Ruhe fürchterlicher als der heftigste Zorn. Er sagte sich, daß der Gouverneur, um so sicher auftreten zu können, die Schuldigen unbedingt kennen müsse. Er zitterte am ganzen Körper, schien sich aber nur um seine Arbeit zu kümmern, wobei er sorgfältig vermied, den Kawdjer anzusehen, denn er fühlte, daß er seinen Blick nicht ertragen würde. Wenn er vom Gouverneur angesprochen worden wäre, hätte der Elende sich selbst verraten.
    Aber nachdem der Kawdjer nicht das Wort an ihn richtete, faßte er wieder neues Vertrauen Und dieses Vertrauen erstarkte in dem Maße, als die Tage verstrichen. Es gelang ihm nicht, die Handlungsweise der Regierung zu begreifen, aber er bemerkte, daß nichts in der Stadt verändert war, obwohl das Attentat bekannt sein mußte – das bewies die verschärfte Wachtordnung während der Nacht.
    Aber lange gelang es ihm nicht, der peinigenden Furcht Herr zu werden. Während vierzehn Tagen mieden sich die Schuldigen und befleißigten sich einer so tadellosen Aufführung, daß schon dieser Umstand allein einem aufmerksamen Beobachter auffallen mußte. Nach diesen zwei Wochen fühlten sie sich sicher. Erst wechselten sie einige Worte im Vorübergehen und als die ungetrübte Sicherheit ihnen ihren früheren Mut zurückgegeben hatte, nahmen sie ihre Abendspaziergänge und ihre gewöhnlichen Beratungen wieder auf.
    Ihr Wagemut wuchs von Tag zu Tag und veranlaßte sie zuletzt sogar, die Grotte zu betreten, in der das Pulverfaß verborgen lag. Sie fanden es in demselben Zustand, an derselben Stelle, wo sie es hingelegt hatten, und waren nun ganz beruhigt.
    Bald wurde die unterirdische Höhle das Ziel ihrer Ausgänge. Einen Monat nach dem mißglückten Attentat bildete sie ihren täglichen Versammlungsort.
    Ihr Gesprächsthema war immer noch dasselbe. Es hatte sich ebensowenig verändert als die Ursachen ihrer Unzufriedenheit. Was ihr Leben vor dem versuchten Attentat gewesen war – war es auch jetzt. Sie fuhren fort, sich, wie alle, dem Gebote der Arbeit zu fügen, und dieses »Muß« war ein Hauptgrund ihrer Verzweiflung.
    Mit ihren gegenseitigen unaufhörlichen Klagen und Verwünschungen schürten sie die Unzufriedenheit und den Haß stets aufs neue an, das Mißglücken ihres Anschlages war bald vergessen und sie suchten schon wieder nach einem anderen Ausweg, der diesmal zum gewünschten Ziel führen sollte.
    Die ohnmächtige Wut regte sich immer mächtiger in ihnen und es kam der Tag, an dem sie für das Schmieden eines neuen Komplottes reif waren.
    An diesem Tage – es war der 30. März – hatten die fünf würdigen Gefährten Liberia getrennt verlassen und sich, wie gewöhnlich, erst in einer gewissen Entfernung von der Stadt zusammengefunden. Die kleine Gruppe war vollzählig, als sie ihren täglichen Versammlungsort erreichte.
    Den Weg hatte man schweigsam zurückgelegt. Dorick hatte den Mund nicht aufgetan und schien in Betrachtungen verloren, die anderen ahmten sein Schweigen nach. Stumm waren ihre Lippen, finster ihr Gesichtsausdruck. Das Gewitter grollte von ferne. Wilde Rachegedanken erfüllten ihre verderbten Gemüter.
     

    Er sah am Eingange ein Feuer brennen… (S. 336.)
     
    Dorick trat als erster in die Grotte und erschrak nicht wenig, als er am Eingange derselben ein Feuer brennen sah. Es war somit jemand hier gewesen und es konnte nur kurze Zeit seit dem Weggehen des Eindringlings vergangen sein, denn die Flamme war noch ganz lebenskräftig.
    Feuer in der Grotte!… Dorick hatte sich plötzlich an das Pulver erinnert. Wenn das Feuer nur wenige Meter weiter nach innen entzündet worden wäre, wäre der Unvorsichtige, welcher es entzündet hatte, unrettbar in die Luft geflogen. Welcher Gefahr hatte er sich ausgesetzt, ohne sie zu ahnen.
    Dorick lief zum Fasse hin… Nein, es war nicht entdeckt worden… Es lag immer noch da unter einem Haufen dürrer Zweige; einige derselben hatte man zu dem kleinen Holzstoß benutzt, der noch lustig

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