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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Die Kindheit ist launenhaft. Die beliebtesten Belustigungen werden eines schönen Tages im Stich gelassen, wenn die Übersättigung eintritt – dann, mit derselben Plötzlichkeit, wieder begeistert aufgenommen, wenn andere Zerstreuungen ihrerseits langweilig geworden sind. Die Grotten waren zuerst das Entzückendste gewesen, das man sich vorstellen konnte. Dann hatten sie die Kinder vernachlässigt, jetzt kamen sie wieder in Mode.
    Während Dick und Sand rasch ausschritten, besprachen sie voll Wichtigkeit den Plan des Tages. Das heißt, genauer gesagt: Dick gab, wie gewöhnlich, kraft seiner Autorität, den Tagesbefehl aus und Sand fügte sich willig in alles.
    »Mein Alter, hob Dick an, als sie die letzten Häuser hinter sich hatten, ich habe eine gute Nachricht für dich!«
    Sand war ganz Ohr.
    »Wir werden, Restaurant’ spielen.«
    Sand nickte zustimmend, aber eigentlich begriff er nicht recht.
    »Nimm einmal das, mein Alter, verkündete Dick triumphierend.
    – Zündhölzchen!… rief Sand entzückt von dem wundervollen Spielzeug.
    – Und jetzt dies!«… und Dick zerrte mühsam aus seiner Tasche ein halbes Dutzend Kartoffeln, die er gewaltsam hineingestopft hatte, ehe sie fortgingen.
    Sand klatschte freudig in die Hände.
    »So! erklärte Dick kategorisch, du bist der Wirt und ich werde der Gast sein!
    – Warum? fragte Sand unschuldig.
    – Darum!« antwortete Dick.
    Vor diesem peremptorischen Wort mußte sich Sand natürlich fügen. Als sie dann in der Grotte waren, geschah alles so, wie der tyrannische Spielgenosse bestimmt hatte. In einem Winkel fanden sie einen Haufen dürrer Zweige, dessen Herkunft sie nicht ahnten. Sie halfen ein herrliches Feuer anzünden, in dem die Kartoffeln gebraten wurden.
    Nun begann das eigentliche Spiel. Sand fand sich in die Rolle des Wirtes ganz ausgezeichnet und Dick stand ihm als Gast darin nicht nach. Man mußte ihn nur beobachten! Mit welch zwangloser Unbefangenheit er in die Grotte trat – zuerst war er selbstverständlich hinausgegangen, der größeren Wahrscheinlichkeit wegen – mit welch vornehmem Anstand er sich zu dem imaginären Tisch setzte, mit welch gebietendem Tone er die Speisen begehrte, die ihm gerade in den Sinn kamen! Er wünschte Eier, Schinken, ein gebratenes Huhn, Roastbeef, Reis, Pudding und noch verschiedenes andere. Zum Glück konnte der Gast unbesorgt die größten Ansprüche an den Wirt stellen – ein besser geführtes Restaurant konnte gar nicht gedacht werden. Alles Verlangte war vorhanden. Was immer der Gast forderte, der Wirt konnte stets ohne Zögern antreten: »Hier, mein Herr!« und schon standen die gewünschten Speisen auf dem Tisch und waren wirklich, jeder Zweifel ist ausgeschlossen, Eier, Schinken und Brathuhn obwohl ein uneingeweihter Beobachter sie vielleicht mit gewöhnlichen Kartoffeln verwechselt haben würde.
    Aber ein Laden kann noch so herrlich ausgestattet sein – mit der Zeit erschöpfen sich die Vorräte, so wie auch der kräftigste Appetit mit der Zeit gesättigt werden kann. Durch ein merkwürdiges Zusammentreffen geschah dies – o Wunder – in dem Augenblicke, als auch nicht eine Kartoffel mehr übrig blieb.
    Sand wurde traurig, als er diese betrübende Entdeckung machte.
    »Du hast la alles aufgegessen!« seufzte er mit einem Gesichte, auf dem die Enttäuschung deutlich geschrieben stand.
    Dick ließ sich zu einer Erklärung herbei.
    »Nachdem ich Gast war… sagte er, als ob es die natürlichste Sache von der Welt wäre. Ißt vielleicht der Wirt seine Speisen selbst auf?«
    Aber diesmal schien Sand sich nicht überzeugen lassen zu wollen.
    »Ja, aber ich habe gar nichts bekommen,« sagte er ganz gedrückt.
    Dick bestieg das hohe Roß:
    »Das soll wohl heißen, daß ich ein Nimmersatt bin? Auch recht! Ich spiele einfach nicht mehr mit! So!
    – Dick!«… flehte Sand, durch diese fürchterliche Drohung ganz mürbe gemacht.
    Das genügte! Dick ließ sofort alle Rachegedanken fallen.
    »Nun gut, sagte er mit Gönnermiene; so will ich jetzt den Wirt machen und du kannst Gast sein.«
    Das Spiel wickelte sich nun nach diesem neuen Programm ab. Sand ging erst aus der Grotte hinaus, kam wieder herein und setzte sich zu Tisch. Nach dieser Inszenierung näherte sich Dick seinem entzückten Gaste und bot ihm lächelnd einen Kieselstein an.
    Aber Sand, dessen Geist nicht so schnell arbeitete, verstand nicht gleich und schaute bestürzt auf den Kieselstein.
    »Dummkopf… sagte Dick. Das ist doch die Rechnung!

    – Aber ich

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